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FutureMatic

FutureMatic

Titel: FutureMatic Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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Brille aufgesetzt, mit der sie die von der fliegenden Kamera aufgenommenen Bilder sehen konnte.
    »Ich hab noch drei im Wagen.« Tessa zog sich einen schäbig aussehenden schwarzen Kontrollhandschuh über die rechte Hand.
    Sie experimentierte mit den Touchpads, brachte die winzigen Propeller des Trägers auf Touren und schwenkte ihn durch einen sechs Meter großen Kreis.
    »Wir müssen uns jemand besorgen, der den Van bewacht«, sagte Chevette, »falls du ihn wiedersehen willst.«
    »Jemand besorgen? Wen?«
    Chevette zeigte auf ein dünnes schwarzes Kind mit staubigen, bis zur Taille reichenden Dreadlocks. »Du da. Wie heißt du?«
    »Was geht dich das an?«
    »Kriegst Kohle, wenn du auf den Van hier aufpasst. Wenn wir zurückkommen, schieben wir dir ‘n Fuffie rüber. Korrekt?«
    Der Junge musterte sie gelassen. »Boomzilla.«
    »Boomzilla«, sagte Chevette, »passt du auf den Van auf?«
    »Geht klar«, sagte er.
    »Geht klar«, sagte Chevette zu Tessa.
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    »Lady«, Boomzilla zeigte auf Gottes kleines Spielzeug, »ich will das da.«
    »Bleib hier«, sagte Tessa. »Vielleicht brauchen wir dich noch.«
    Tessas Finger berührten die schwarze, gepolsterte Handfläche.
    Der Kameraträger drehte sich erneut, schwebte davon und verschwand über den Panzersperren. Tessa lächelte, als sie die Bilder sah, die er einfing. »Komm mit«, sagte sie zu Chevette und trat zwischen die nächsten Panzersperren.
    »Nicht da lang«, sagte Chevette. »Hier rüber.« Es gab einen Weg, den man nehmen musste, wenn man nur durchging. Wer eine andere Route einschlug, demonstrierte entweder seine Un-wissenheit oder den Wunsch, Geschäfte zu machen.
    Sie zeigte Tessa den Weg. Zwischen den Betonplatten stank es nach Urin. Chevette ging schneller. Tessa folgte ihr.
    Und trat wieder in das wässrige Licht hinaus, aber hier lag es nicht auf den Ständen und Verkaufswagen, an die sie sich erinnerte, sondern auf der rot-weißen Fassade eines modularen Gemischtwarenladens, der direkt vor dem Zugang zu den beiden Ebenen der Brücke abgesetzt worden war: ein LUCKY DRAGON
    und dessen Markenzeichen, der Bildschirmturm mit seinem pul-sierenden Geflimmer.
    »Teufel noch mal«, sagte Tessa, »wie interstitiell ist das denn?« Chevette blieb fassungslos stehen.
    »Wie konnten die nur?«
    »Das machen sie nun mal so«, sagte Tessa. »Erstklassiger Standort.«
    »Aber das ist wie... wie bei Nissan County oder so.«
    »Als müsste man eigentlich Eintritt zahlen. Die Gemeinschaft ist ‘ne echte Touristenattraktion.«
    »Viele gehen nirgends hin, wo keine Polizei ist.«
    »Autonome Zonen haben ihre eigene Anziehungskraft«, erwiderte Tessa. »Die hier gibt’s schon so lange, dass sie zum beliebtesten Postkartenmotiv der Stadt geworden ist.«
    »Echt ätzend«, sagte Chevette. »Das... macht sie doch kaputt.«
    »Was meinst du, an wen die Lucky Dragon Corp Miete zahlt?«, 88
    fragte Tessa und ließ den Träger herumschwingen, um einen Schwenk über den Laden zu machen.
    »Keine Ahnung«, sagte Chevette. »Der Laden steht mitten auf der ehemaligen Fahrbahn.«
    »Na, egal«, sagte Tessa. Sie ging weiter, reihte sich in den Strom der Fußgänger ein, der in beide Richtungen floss, zur Brücke und von ihr weg. »Wir kommen genau im richtigen Moment. Wir werden das Leben hier dokumentieren, bevor sie einen Themenpark draus machen.«
    Chevette folgte ihr, ohne sich so ganz über ihre Gefühle im Klaren zu sein.
    Sie aßen bei einem Mexikaner namens Dirty Is God zu Mittag.
    Chevette konnte sich nicht an ihn erinnern, aber die Läden auf der Brücke wechselten oft den Namen. Sie wechselten auch Größe und Gestalt. Dann entstanden absonderliche Mischformen – ein Frisör und eine Austernbar beschlossen, zu einem größeren Laden zu fusionieren, wo man sich die Haare schneiden lassen und Austern kaufen konnte. Manchmal klappte es: Einer der ältesten Läden auf der San-Francisco-Seite war ein altmodisches manu-elles Tätowierstudio, in dem es auch Frühstück gab. Man konnte dort über einem Teller mit Eiern und Schinken hocken und zusehen, wie jemand mit einer Art handgeführtem Flash malträtiert wurde.
    Im Dirty Is God gab es jedoch nur mexikanisches Essen und japanische Musik, eine ziemlich schlichte Kombination. Tessa bekam die huevos rancheros, Chevette ein chicken quesadilla. Sie tranken beide ein Corona, und Tessa parkte den Kameraträger ganz oben unter der zeltartigen Kunststoffdecke. Anscheinend bemerkte ihn da niemand, und Tessa konnte beim Essen

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