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FutureMatic

FutureMatic

Titel: FutureMatic Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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Lagerbestand.«
    »Nun hör mal«, sagte Fontaine, dem wieder eingefallen war, was Ciarisse gesagt hatte, »die Dinger kriegt man nun mal nicht ungebraucht, ja? Die Großeltern haben sie als so ‘ne Art Ersatz-sprösslinge gekauft. Das waren sündteure Teile. Die sind benutzt worden.«
    »Nicht immer«, erwiderte Elliot. »Die begehrtesten Stücke – und mein Kunde hat einige davon – sind Kopien, die kurz vor dem unerwarteten Tod des Enkelkindes bestellt wurden.«
    Fontaine nahm den Hörer vom Ohr und sah ihn an, als wäre er schmutzig. »Du dicke Scheiße«, sagte er halblaut.
    »Was?« fragte Elliot. »Wie war das?«
    »Entschuldige, Elliot.« Er hielt sich den Hörer wieder ans Ohr.
    »Ich hab da grade jemand auf der anderen Leitung. Ich ruf dich zurück.« Fontaine unterbrach die Verbindung.
    Er thronte auf einem hohen Hocker hinter dem Tresen. Er beugte sich zur Seite und musterte die Another-One-Puppen in ihrem Beutel. Sie sahen grässlich aus. Sie waren grässlich. Elliot 168
    war grässlich. Clarisse war ebenfalls grässlich, doch nun verfiel Fontaine in einen kurzen, aber höchst erotischen Tagtraum, in dem niemand mitspielte, mit dem er nicht schon seit geraumer Zeit verehelicht war. Dass sich dieser Tagtraum ausschließlich um Ciarisse drehte, hielt er für bezeichnend. Dass er sogar eine erek-tile Reaktion bei ihm hervorrief, hielt er für noch bezeichnender.
    Er seufzte. Zog sich die Hose zurecht.
    Das Leben war eisenhart, dachte er.
    Durch das Plätschern des Regens, der um seinen Laden herum herabspritzte (er hatte Dachrinnen angebracht), hörte er ein leises, aber schnelles Klicken aus dem Hinterzimmer, und ihm fiel auf, wie sonderbar regelmäßig es war. Jeder dieser Klicklaute re-präsentierte eine andere Armbanduhr. Er hatte dem Junge gezeigt, wie man im Notebook Auktionen aufrufen konnte, nicht die von Christie’s oder von Antiquorum, sondern das chaotische Gewu-sel der Netzauktionen. Er hatte ihm auch gezeigt, wie man Bookmarks setzte, denn er dachte, es würde ihm vielleicht Spaß machen, sich Sachen auszusuchen, die ihm gefielen.
    Fontaine seufzte erneut, diesmal, weil er keine Ahnung hatte, was er mit dem Jungen anfangen sollte. Er hatte ihn hereinge-lassen, weil er einen genaueren Blick auf die Jaeger-LeCoultre-Militärarmbanduhr hatte werfen wollen, nein, weil er sie hatte haben wollen und noch immer haben wollte, aber es wäre Fontaine unmöglich gewesen, jemandem zu erklären, warum er dem Jungen anschließend zu essen gegeben, ihn geduscht, neu eingeklei-det und ihm gezeigt hatte, wie man den Datenhelm benutzte.
    Nicht einmal sich selbst konnte er es erklären. Er neigte nicht zu Wohltätigkeitsaktionen, das glaubte er jedenfalls, aber manchmal ertappte er sich dabei, wie er sich verhielt, als wollte er eine bestimmte Ungerechtigkeit auf der Welt wieder gutmachen. Doch im Grunde sah Fontaine darin keinen Sinn, denn was er wieder gutmachte, war nur für kurze Zeit wieder gut, aber in Wirklichkeit veränderte sich niemals etwas.
    Dieser Junge nun hatte sehr wahrscheinlich einen Gehirnscha-169
    den, höchstwahrscheinlich sogar einen angeborenen, aber Fontaine glaubte, dass Probleme keinen Urgrund hatten. Es gab schieres Pech, das wusste er, aber er hatte auch sehr oft erlebt, dass sich die genetische Bedingtheit von Grausamkeit, Vernachlässigung oder Pech wie eine Ranke durch die Generationen wand.
    Jetzt steckte er die Hände tief in die Taschen seiner Tweedhose, wo er die Jaeger-LeCoultre aufbewahrte. Nur sie, natürlich, damit sie nicht zerkratzt wurde. Er nahm sie heraus und betrachtete sie, doch der Tenor seiner Gedanken verhinderte die kurzzeitige Ab-lenkung, das kleine Vergnügen, das er gern daraus gezogen hätte.
    Wie in aller Welt, fragte er sich, hatte der Junge so etwas in die Finger gekriegt, so ein echtes, elegantes Sammlerstück?
    Und auch die Qualität des Armbands beunruhigte ihn. So etwas hatte er noch nie gesehen, obgleich das Armband ganz schlicht war. Mit dieser Uhr, deren Bandanstöße nicht mit Feder-stiften geschlossen waren, sondern mit festgelöteten Edelstahl-stäbchen, also integralen Bestandteilen des Gehäuses, hatte sich ein Handwerker hingesetzt, hatte etliche Stücke schwarzes Kalbsleder zurechtgeschnitten, verklebt und von Hand vernäht. Er untersuchte die Innenseite des Armbands, aber da war nichts, kein Markenzeichen, keine Signatur. »Wenn du doch reden könntest«, sagte Fontaine, den Blick auf die Uhr gerichtet.
    Und was, so fragte er sich, würde

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