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FutureMatic

FutureMatic

Titel: FutureMatic Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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Ich weiß nur, dass wir’s in Fresno speziell anfertigen lassen mussten. Ich arbeite hier blo ß. Niemand sagt mir, wer wofür bezahlt.« Er holte tief und zittrig Luft. »Sonst würde nämlich jemand wie Sie rein kommen und mich zwingen, damit raus zu rücken, nicht?«
    »Genau«, sagte Rydell, »und das heißt, es kann gut sein, dass Leute hier reinkommen und dich foltern, damit du ihnen Sachen erzählst, die du gar nicht weißt ... «
    »Schauen Sie in meine Hemdtasche«, sagte der Junge vorsichtig. »Da ist eine Adresse drin. Gehen Sie dahin, reden Sie mit irgendwem, vielleicht sagen die’s Ihnen.«
    Rydell tätschelte die Tasche sanft von vorne, um sich zu vergewissern, dass keine benutzten Spritzen oder andere Überraschun-gen drin waren. Das massive Muskelpolster hinter der Tasche gab ihm zu denken. Er steckte zwei Finger hinein und brachte ein Stück Pappe zum Vorschein, das von etwas Größerem abgerissen worden war. Rydell sah die Adresse einer Website. »Die Kabel-leute?«
    »Keine Ahnung. Aber ich weiß nicht, warum ich sie Ihnen sonst geben soll.«
    »Ist das alles, was du weißt?«
    »Ja.«
    »Rühr dich nicht«, sagte Rydell. Er nahm das Werkzeug aus dem Nasenloch des Jungen. »Kabel unterm Tresen?«
    »Ja.«
    »Ich glaub nicht, dass ich’s gut fände, wenn du da hingreifen würdest.«
    161
    »Warten Sie«, sagte der Junge und hob die Hände. »Ich muss Ihnen was sagen: Da ist ‘n Boter drunter. Der hat Ihre Kabel. Er will sie Ihnen bloß geben, aber ich möchte nicht, dass Sie auf falsche Gedanken kommen.«
    »Ein Boter?«
    »Alles okay!«
    Rydell beobachtete, wie eine kleine, hochglanzpolierte Stahl-klaue erschien, die starke Ähnlichkeit mit einer alten vielfingrigen Zuckerzange seiner Mutter hatte. Sie umklammerte den Rand des Tresens. Dann machte das Ding einen einhändigen Klimmzug, und Rydell sah den Kopf. Der Boter bekam ein Bein nach oben und erklomm den Tresen, wobei er zwei verschweißte Plastikhüllen hinter sich herzog. Der Kopf war unverhältnismäßig klein und hatte eine flügelförmige Verlängerung oder Antenne, die an einer Seite nach oben ragte. Es war eine Figur in jenem traditio-nellen japanischen Stil, der den Eindruck erweckte, als hätte man einen mageren, kleinen, glänzenden Roboter, dessen Unterarme und Knöchel dicker waren als seine Oberarme und Oberschenkel, in eine viel zu große weiße Rüstung gesteckt. Sie trug die transparenten Hüllen mit jeweils einem sorgfältig zusammengelegten Kabel darin über den Tresen, legte sie hin und trat zurück. Rydell nahm die Kabel, steckte sie in die Tasche seiner kakibraunen Hose und trat ebenfalls zurück, wobei er den Roboter recht gut imitierte.
    Die Ray-Ban des Jungen tauchte am Rand seines Sichtfelds auf, und er sah, dass sie nicht kaputt gegangen war.
    Als er in der Tür stand, warf er dem Jungen den schwarzen Schraubenzieher zu, aber der griff daneben. Der Schraubenzieher prallte gegen das Heavy-Gear-II-Poster und fiel hinter dem Tresen herunter.
    Rydell entdeckte eine Kombination aus Waschsalon und Café; der Laden nannte sich Vicious Cycle und verfügte über ein Hotdesk, das sich hinter einem schwarzen Plastikvorhang im rückwärtigen 162
    Teil befand. Der Vorhang deutete in seinen Augen darauf hin, dass die Leute das Hotdesk benutzten, um auf Porno-Sites zu gehen, aber warum man das ausgerechnet in einem Waschsalon tun sollte, ging über seinen Horizont.
    Er war jedenfalls froh über den Vorhang, denn er fand es ziemlich unangenehm, beim Gespräch mit Leuten, die nicht da waren, beobachtet zu werden, und vermied es deshalb im allgemeinen, an öffentlichen Orten auf Websites zu gehen. Warum es ihn beim Telefonieren – also Audio – nicht ebenso störte, wusste er nicht.
    Es war einfach so. Wenn man telefonierte, sah man nicht aus, als würde man mit Leuten sprechen, die nicht da waren, obwohl man es ja tat. Man sprach mit dem Telefon. Obwohl, wo er jetzt dar-
    über nachdachte: Mit dem Telefon im Bügel der brasilianischen Brille würde es auch so aussehen.
    Deshalb zog er den Vorhang zu und blieb dort stehen. Im Hintergrund rumpelten die Trockner, ein Geräusch, das er schon immer irgendwie beruhigend gefunden hatte. Die Brille war bereits ans Hotdesk angeschlossen. Er setzte sie auf und gab übers Wipptastenfeld die Adresse ein.
    Ein kurzer und wahrscheinlich rein symbolischer Flug durch eine Art Neonregen mit starker Dominanz von Pink-und Grün-tönen, dann war er dort.
    Sein Blick fiel in denselben leeren Raum,

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