Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
FutureMatic

FutureMatic

Titel: FutureMatic Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
Vom Netzwerk:
und sehr wahrscheinlich original. Als er sie nun in einem ganz bestimmten Winkel ins Licht hält, sieht er nämlich, dass die Strahlung der ori-ginalen Radium-Ziffern das Uhrglas fokal verdunkelt hat; jede Ziffer hat letztlich ihr eigenes Röntgenbild auf der zufälligen Platte des Uhrglases hinterlassen.
    In Verbindung mit dem versteckten Datum bewirkt dies, dass Fontaine ein Schauder überläuft, so dass er den Rückdeckel wieder dranschraubt, die Helbros in den Tresen zurücklegt, sodann die Schlösser an der Tür überprüft, seine Miso-Suppe aufisst und sich zum Schlafengehen bereit macht.
    Der Junge liegt auf dem Rücken, schnarcht aber nicht mehr, und das ist gut so.
    Als Fontaine sich in seinem schmalen Bett schlafen legt, hat er die Smith & Wesson Kit Gun wie jede Nacht griffbereit.
    265

50
    »NOCH MEHR
    UNANNEHMLICHKEITEN«
    ydells krebskranker Vater hatte Rydell kurz vor seinem Tod Rei ne Geschichte erzählt. Er behauptete, er habe sie aus einem Buch berühmter oder zumindest denkwürdiger letzter Worte.
    Ein Mann war in England hingerichtet worden, damals in der alten Zeit, als Hinrichtungen mit Absicht so grausam wie irgend möglich durchgeführt wurden, und nachdem man ihn mit glühenden Eisen gebrannt, aufs Rad geflochten und diverser anderer schauerlicher Strafen unterzogen hatte, wurden dem Mann der Block und das Henkersbeil gezeigt. Und nachdem er die verschiedenen Torturen unerschütterlich und schweigend über sich hatte ergehen lassen, gab er auch beim Anblick des Beils, des Blocks und des stämmigen Henkers keinen Ton von sich.
    Aber dann kam ein weiterer Peiniger, der ein Sortiment grausi-ger Werkzeuge bei sich trug, und man teilte dem Mann mit, dass ihm vor der Enthauptung der Bauch aufgeschlitzt werden sollte.
    Der Mann seufzte. »Noch mehr Unannehmlichkeiten«, sagte er.
    »Wenn die mich haben wollen«, sagte Rydell, der sich neben dem tanto bewehrten Mann mit dem Mantel dahinquälte, »warum schnappen die mich dann nicht einfach?«
    »Weil Sie mit mir zusammen sind.«
    »Warum erschießen die Sie nicht einfach?«
    »Weil wir – diese Männer und ich – denselben Auftraggeber haben. In gewissem Sinn.«
    »Und der würde nicht zulassen, dass die Sie erschießen?«
    266
    »Das käme darauf an«, sagte der Mann.
    Rydell sah, dass sie zu der namenlosen Bar kamen, in der er Buell Creedmore jenes alte Lied hatte singen hören. Dort ging es ziemlich geräuschvoll zu: laute Musik, Gelächter, ein Pulk junger Leute vor der Tür, die Bier tranken und in aller Öffentlichkeit Zigaretten rauchten.
    Seine Seite tat ihm bei jedem Schritt weh, und er dachte an Rei Toei, wie sie leuchtend auf seinem Kissen thronte. Er fragte sich, was der Projektor, den er da über der Schulter hatte, für sie bedeutete. War er ihr einziges Mittel, sich hier zu manifestieren, mit Menschen zu interagieren? Wie war das, wenn man ein Hologramm war? Fühlte es sich überhaupt nach irgendwas an? (Er bezweifelte es.) Oder schufen die Programme, die sie generierten, irgendwie eine umfassendere Illusion des Daseins? Aber wenn man ohnehin schon nicht real war, womit konnte man das Nichtsein dann vergleichen?
    Was ihn momentan jedoch viel mehr beunruhigte, war, dass Laney, Klaus und auch der Hahn den Projektor für wichtig, wirklich wichtig gehalten hatten, und nun hinkte er, Rydell, hier bereitwillig neben diesem Killer her, diesem Mann, der allem Anschein nach für denjenigen arbeitete, der es auf Rydell und wahrscheinlich auch auf den Projektor abgesehen hatte, und er ging einfach mit ihm mit. Wie ein Schaf zur Schlachtbank.
    »Ich will mal eben hier rein«, sagte Rydell.
    »Warum?«
    »Einen Freund besuchen«, sagte Rydell.
    »Ist das ein Fluchtversuch?«
    »Ich will nicht mit Ihnen mitgehen.«
    Der Mann musterte ihn durch die dünnen runden Gläser seiner Brille. »Sie komplizieren die Dinge«, sagte er.
    »Dann bringen Sie mich doch um.« Rydell biss die Zähne zusammen, als er seine Last nach vorn schwang und an den Rau-chern an der Tür vorbei in den warmen, lauten Bierdunst und die energiegeladene Menge hineintaumelte.
    267
    Creedmore stand mit Randy Shoats und einem Bassisten mit Koteletten auf der Bühne, und der Song, den sie gerade spielten, kam genau in diesem Moment zu seinem natürlichen Schluss, Creedmore sprang mit einem letzten Juchzer in die Luft, und die Musik brach um ihn herum zusammen. Die Menge brüllte, stampfte und klatschte. Rydell hatte Creedmores Augen im Bühnenlicht glanzlos und hell wie die einer

Weitere Kostenlose Bücher