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Fyn - Erben des Lichts

Fyn - Erben des Lichts

Titel: Fyn - Erben des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Kühnemann
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ich den Brechreiz. Ich wollte das Wasser um jeden Preis bei mir behalten. Wer konnte sagen, ob ich noch einmal welches bekommen würde?
    Angst, Schmerz und Langeweile rüttelten an meinem Lebensmut. Hatte ich mich zuvor noch an die Hoffnung geklammert, meine Unschuld in einem fairen Prozess beweisen zu können, war ich mir zunehmend sicherer, dass man mich hier verhungern lassen würde. Obwohl ich mir nicht vorstellen konnte, dass man dem Mob den Spaß einer öffentlichen Hinrichtung verwehren würde. In dem Maße, in dem meine Hoffnung schwand, wuchs mein Hass. Ich hasste die Soldaten der Liga, ich hasste den gesamten Hofstaat. Sie quälten mich, nannten mich einen Mörder. Niemals würden sie meine Geschichte glauben. Es passte einfach alles zu gut zusammen. Ich würde sie nicht von einer anderen Wahrheit überzeugen können. Mehr, als dass ich einen Drogenrausch erlitten hatte, wusste ich ja selbst nicht. Ob Unzurechnungsfähigkeit ein Grund war, mich freizusprechen? Ich glaubte nicht daran. Ich hatte ein Motiv, mir gehörte die Tatwaffe. Man hatte mich wie ein Irrer durch den Palast wüten sehen, außerdem sprach ich auf dem Weg in den Kerker mit mir selbst, zumindest in den Augen der anderen. Ich galt als verrückt. Und bei Sinjar, vielleicht hatten sie recht.
    Während meiner Zeit im Kerker änderte ich mehrfach die Meinung, was meine Schuldfähigkeit anging. Gelegenheit zum Nachdenken hatte ich genug. Mal glaubte ich, ich hätte den Tod verdient, dann wiederum war ich mir sicher, unschuldig zu sein. Um mich abzulenken, erfand ich neue Strophen zu alten Kinderliedern, die meine Amme Joanna mir vorgesungen hatte, als ich noch ein kleiner Junge war. Dennoch holte mich immer wieder die Verzweiflung ein. Meine Emotionen wühlten in mir wie eine Ratte in einem Müllhaufen. Wann erlösten sie mich endlich von der Marter?
    Ich schätzte, dass noch ein weiterer Tag und eine weitere Nacht vergingen, ehe ich endlich Schritte auf dem Gang vernahm. Wenn der Wachmann mir diesmal den Krug mit Wasser brachte, würde ich ihn fragen, welche Pläne man mit mir verfolgte, das nahm ich mir fest vor. Doch als die Tür aufschwang, stand nicht der diensthabende Wachmann auf der Schwelle, sondern Vater. Er sah auf mich herab, das Gesicht vollkommen emotionslos. Ein Stich der Scham durchdrang meine Brust. Ich saß wie ein Kind mit ausgestreckten Beinen auf dem dreckigen Zellenboden, meine Kleidung zerrissen, verschwitzt und schmutzig. Meine Haare hingen mir strähnig ins blutbefleckte Gesicht. Breanor kannte meine Paranoia bezüglich Ordnung und Reinlichkeit, er wusste, wie sehr ich litt. Ich konnte mich des Gefühls nicht erwehren, dass er meinen Anblick genoss. Wie ich ihn hasste! Ich hasste die ganze Welt, und dennoch schämte ich mich noch immer für meine Unvollkommenheit. Durfte ich ihn überhaupt noch Vater nennen? Er hatte mich verstoßen. Ich hatte nicht mehr das Recht, ihn so anzusprechen.
    Breanor trat einen Schritt auf mich zu. Frische, kühle Luft wehte vom Gang aus herein und streichelte meine Haut. Ich nahm einen tiefen Atemzug. In der Zelle musste es fürchterlich stinken, doch mein Geruchssinn war mittlerweile abgestumpft, zumal ich ohnehin kaum durch die Nase atmen konnte.
    »Ich komme, um dir Neuigkeiten zu bringen. Nicht, weil ich dir das Wissen gönne, sondern, weil es laut Gesetz dein Recht ist.« Er sprach ohne einen Anflug des Bedauerns, vollkommen nüchtern und sachlich. Mein Blick fiel auf eine kleine Schachtel, die unter seinem Arm klemmte. Sie maß etwa zwei Handlängen in der Länge und eine Handlänge in der Breite.
    Breanor trug seine schneeweiße Uniform, gebügelt und tadellos. An seinem Gürtel baumelte ein Schwert, ein Revolver steckte im Halfter. Sein Haar war glatt zurückgekämmt, der Bart frisch rasiert. Er bot – verglichen mit mir – einen völlig gegensätzlichen Anblick. Ich hob den Kopf und bemühte mich um einen gefassten Eindruck, doch es erschien mir lächerlich, in einer Situation wie dieser seinen Stolz bewahren zu wollen. Deshalb ließ ich den Blick sogleich wieder sinken und starrte auf die Fugen zwischen den Steinen.
    Breanor räusperte sich. »Der Prozess ist für morgen angesetzt. Man wird dich zuvor waschen und ordentlich kleiden.«
    »Wozu? Damit ich gut rieche, wenn die Revolverkugel mein Genick durchbohrt?« Ich fuhr ihm ins Wort. Am liebsten hätte ich laut aufgelacht, wenn meine aufgesprungenen Lippen nicht so geschmerzt hätten. Resignation und Bitterkeit machten sich in

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