Fyn - Erben des Lichts
entsorgen müssen.« Er sprach, als redete er über das Wetter. »Ich denke, ich brauche nicht extra zu erwähnen, dass man dir eine Feuerbestattung verwehren wird, damit du nicht an Sinjars heiliger Tafel sitzen kannst. Weil sich jedoch niemand bereit erklärt hat, dein Grab vor Schändung zu schützen, wird man deinen Körper aus praktischen Gründen den Hunden vorwerfen.«
Seine Worte trafen mich härter als gedacht. Obwohl … es waren eigentlich nicht seine Worte, die mich schockierten, sondern vielmehr die Emotionslosigkeit in seiner Stimme.
Breanor stellte die kleine Schachtel vor mir auf den Boden. »Du hast es nicht verdient, aber die Küchenmagd, die du damals aus dem Norden angeschleppt hast, hat so lange gefleht, bis ich mich bereit erklärt habe, dir das zu geben.«
Ich starrte auf den weißen Karton, ohne ihn zu berühren. »Was ist das?«
»Ein kleiner Kuchen. Selbstverständlich haben wir ihn zuvor auseinandergebrochen und nach scharfen Gegenständen durchsucht.«
Die Gier nach etwas Essbarem hätte mich beinahe dazu getrieben, den Karton auseinanderzureißen und mich wie ein wildes Tier auf den Kuchen zu stürzen, doch ich übte mich in Selbstbeherrschung. Auch unterdrückte ich die Tränen, die mir bei dem Gedanken an Ylenia in die Augen steigen wollten. Ich wünschte mir nichts mehr, als dass Breanor endlich ging und mich allein ließ. Als hätte er meine Gedanken gelesen, wandte er sich ab und ging. Über die Schulter drehte er sich noch einmal zu mir um. »Genieß deine letzte Mahlzeit, Fynrizz. Vielleicht spendet sie dir Trost und Hoffnung.« Dann fiel die Tür krachend ins Schloss. Der Tonfall in seiner Stimme ließ mich für einen Moment innehalten. Etwas Undeutbares hatte darin gelegen, aber ich vermochte es nicht zu benennen.
Unmittelbar darauf riss ich den Deckel des Kartons herunter. Vor mir lag ein Kuchen aus hellem Teig, obwohl man seine Form nur noch erahnen konnte. Er war in mehrere Teile zerbrochen. Ich stopfte mir die Fragmente in den Mund, ich kaute nicht einmal. Der Geschmack von Zimt und Butter ließ meine Sinne beinahe explodieren. In diesem Augenblick vergaß ich all meine Sorgen. Nachdem ich auch den letzten Krümel vertilgt hatte, überfiel mich eine abnorme Müdigkeit. Ich schaffte es nicht einmal mehr, mich der Länge nach auszustrecken, bevor ich in einen tiefen Schlaf sank.
Kapitel 10
Nordwärts
Wie zuvor in meinem Krankenbett erwachte auch diesmal mein Gehörsinn als Erstes. Erneut umhüllte dichter Nebel mein Bewusstsein und wieder war ich nicht in der Lage, einen Finger zu rühren. Ein durchaus angenehmer Zustand. Ich spürte keine Schmerzen, und die wohlige Wärme des Halbschlafs umhüllte mich. Ich vernahm eine gedämpfte Frauenstimme, die aus weiter Ferne zu kommen schien, doch die Bedeutung ihrer Worte enthüllte sich mir nicht. Kurz nachdem sich meine Ohren aus den Tiefen der Ohnmacht herausgewühlt hatten, erwachte auch mein Geruchssinn. Ich atmete tief durch die Nase, was mir seit dem Schlag ins Gesicht zum ersten Mal gelang. Die Schwellung schien zurückgegangen zu sein. Ein scharfer Duft nach versengten Kräutern brannte in meiner Lunge. Ich verspürte den Drang zu husten, aber meine Muskeln ließen sich nicht dazu überreden.
Unbestimmte Zeit verging, immerzu begleitet von der murmelnden Frauenstimme. Meine Lebensgeister regten sich mehr und mehr, und langsam fand ich mein Körpergefühl wieder.
Ich lag auf dem Rücken, doch der Untergrund war nicht weich wie eine Matratze. Es handelte sich auch nicht um den Steinboden meiner Zelle, denn etwas kitzelte an meinen Händen, die ausgestreckt neben meinem Körper lagen. Gras. Wo befand ich mich? Träumte ich noch? Ich zwang meine Lider, sich zu heben, aber mehr als einen winzigen Schlitz brachte ich nicht zustande. Helles Licht fiel auf meine Netzhaut. Tageslicht. Sogleich tränten meine Augen und vereitelten jeden Versuch, klar zu sehen.
Jemand nahm meine Hand, weiche Haut auf meiner. Die Berührung tat gut, ich verspürte den Wunsch, denjenigen zu mir heranzuziehen.
Meine Sinne schärften sich. Ich versuchte, mich zu erinnern. Vor meinem geistigen Auge sah ich Breanor, wie er mir die Nachricht von meinem bevorstehenden Prozess überbrachte. Doch noch etwas anderes war in meinem Gedächtnis haften geblieben, der Geschmack von Zimt. Ylenias Kuchen. Danach war es dunkel um mich geworden. Vermutlich hatte ich so fest geschlafen, dass meine letzte Nacht als lebender Mann unbemerkt an mir vorübergezogen
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