Fyn - Erben des Lichts
Tages offen verabscheuen würde, hatte ich auch nie geglaubt.
Vater rief seine Kameraden herein, und dann ging alles ganz schnell. Zu dritt packten sie mich und zerrten mich unsanft auf die Füße. Ich wehrte mich nicht gegen sie, dazu war ich nicht nur zu schwach, sondern auch zu geschockt. Im Falle eines Fluchtversuchs hätte ich mir allenfalls ein paar gebrochene Rippen, wenn nicht Schlimmeres zugezogen. Allein gegen drei Elitekämpfer standen meinen Chancen schlecht. So stolperte ich unbeholfen hinter jenen her, die einst meine Kameraden gewesen waren.
Sie schleiften mich zur Tür hinaus, mehrere Flure entlang und eine Treppe hinab. Ich verursachte eine Spur von Blutstropfen, denn der Schlag ins Gesicht hatte deutliche Spuren hinterlassen.
Im Palast herrschte Chaos. Mittlerweile musste sich der Tod des Königs herumgesprochen haben. Der Verlust des Thronerben bei dem Angriff der Nordmänner hatte bereits tiefe Wunden geschlagen, doch nun gab es nur noch einen einzigen legitimen Spross der Königsfamilie, und das war der kleine Pinio, gerade sieben Jahre alt. Das Wehklagen der Alven bei Hofe dröhnte in meinen Ohren. Einige von ihnen warfen mit Gegenständen nach mir, andere spuckten mich an. Lan, Corey und Vater hatten schwer damit zu kämpfen, die aufgebrachte Meute von mir fernzuhalten. Wenn Breanor recht behielt, war ich kurz vor oder nach dem Tod des Königs wie ein Wahnsinniger durch den Palast gestürmt. Vielleicht hatte ich im Vollrausch meine Tat besungen. Jedenfalls schien jedes Kind und jede Magd Kenntnis von meiner Beteiligung an dem Verbrechen zu haben, und das, obwohl der Prozess noch gar nicht stattgefunden hatte.
Ich ging mit gesenktem Blick, dennoch bemerkte ich, wie sich eine weitere Person zum Kreis der Soldaten gesellte. Erst glaubte ich, es handelte sich dabei um Verstärkung, um mich vor der aufgebrachten Menge zu beschützen, doch aus den Augenwinkeln sah ich die schwarze Kleidung und das lange weiße Haar. Ich hob den Kopf.
»Du schon wieder«, keifte ich. Meine Lebensgeister rührten sich erneut. Ich sah, wie Vater und seine Kameraden mir den Kopf zuwandten, doch ich beachtete sie nicht. Ich fixierte mich voll und ganz auf Norrizz, den ätzenden Plagegeist. Er ging mit beschwingten Schritten neben uns her.
»Ich dachte, du würdest ein wenig Beistand brauchen, mein Bruder.« Er kicherte. Ich hingegen konnte der Situation nichts Amüsantes abgewinnen.
»Verschwinde«, spie ich ihm entgegen.
»Hast du den Verstand verloren?« Vater verpasste mir einen Klaps auf den Hinterkopf. »Sprichst du mit dir selbst? Ich habe nie geahnt, wie verrückt du wirklich bist!«
Ich ignorierte seine Worte. Zum ersten Mal in meinem Leben war es mir egal, was er von mir dachte. Er hatte mich als seinen Sohn verstoßen, es gab für mich keine Rettung mehr.
Norrizz wich nicht von meiner Seite, auch nicht, als wir die Tür zu den Kellergewölben erreichten und Corey die schwere Eichentür mit einem rostigen Schlüssel aufsperrte. Ich entschied, Norrizz’ Anwesenheit zu meinem Vorteil zu nutzen, indem ich ihm ein paar Fragen stellte, deren Beantwortung meine Verwirrung vielleicht mildern konnte.
»Was weißt du über die vergangenen Stunden?«, fragte ich.
»Das habe ich dir doch schon erzählt«, blaffte mein Vater mich an.
»Ich spreche nicht mit dir«, keifte ich. Er wich zurück, in seinem Gesicht spiegelte sich der Schreck über meine Respektlosigkeit wider. Dann verhärteten sich seine Züge erneut. Er packte mich noch fester am Arm, sodass meine Finger zu kribbeln begannen, weil er die Blutzufuhr unterband.
»Dann hör auf, dich mit dir selbst zu unterhalten«, zischte er. »Weißt du eigentlich, wie irre das wirkt? Das wird nicht zu deiner Entlastung beitragen, zum Glück hat es jetzt der halbe Palast mitbekommen.« Trotzige Schadenfreude sprach aus ihm. Er wünschte mir den Tod, das spürte ich instinktiv. Seine Liebe zu Castios war größer gewesen als die Liebe zu mir. Bittere Erkenntnis.
»Ich weiß nicht, was du getan hast«, meldete sich Norrizz wieder zu Wort. »Meine Sinne waren vernebelt, ebenso wie deine. Aber das, was dein Vater berichtet, klingt plausibel. Die Beweislast ist erdrückend. Ich denke, du bist es gewesen.« Eine nüchterne Aussage, ohne jegliche Wertung. Einen Augenblick gab ich mich meinem Selbsthass hin, dann bemerkte ich etwas, das mir zuvor nie bewusst gewesen war.
»Woher weißt du das alles? Bekommst du auch Dinge mit, wenn du nicht körperlich anwesend
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