Fyn - Erben des Lichts
doch irgendwann hatte ich es aufgegeben. Es war unmöglich für einen Einzelnen, die riesige Terrasse in Schuss zu halten. Also nahm ich das Chaos wohl oder übel in Kauf, auch wenn es meinen Sinn für Ordnung und Sauberkeit beleidigte. Heute jedoch wollte ich nicht auf die Terrasse, immerhin gab es etwas Wichtigeres zu erledigen. Ich zog meine goldene Taschenuhr aus der Brusttasche und stellte fest, dass es bald Abendessen geben würde. Ich musste mich beeilen.
Vor der Tür zu Vaters Arbeitszimmer blieb ich stehen. Ich sah mich nach allen Seiten um, das Herz schlug mir bis zum Hals. Ich fürchtete mich zwar nicht vor Strafe, aber vor Breanors enttäuschtem Gesichtsausdruck. Dieser war für mich schwerer zu ertragen als ein Schlag ins Gesicht.
Ich rüttelte am Knauf, aber wie erwartet war die Tür abgeschlossen, was mich jedoch nicht lange aufhalten sollte. Aus meiner Hosentasche förderte ich einen Dietrich zutage, mit dem ich noch jede Tür im Palast geöffnet hatte. Breanor war selbst schuld, wenn er sich einen Techniker heranzog.
Vorsichtig schob ich den Dietrich ins Schloss und wartete, bis ich das vertraute Knacken des Schließmechanismus wahrnahm. Ich hatte erst ein einziges Mal gewagt, in das Arbeitszimmer meines Vaters einzudringen, und damals nicht viel mehr als eine Minute dort verbracht, ehe mich Schritte auf dem Flur zwangen, die Mission abzubrechen.
Ich ließ die Tür langsam aufschwingen. Es war dunkel im Zimmer, Gerüche nach Papier, Tinte, Metall und Chemikalien schlugen mir entgegen. Bedächtig setzte ich einen Fuß hinein und ließ die Tür ein Stück offen. Die Vorhänge waren nicht ganz zugezogen, eine Laterne im Hof warf ihr schwaches Licht durch den verbliebenen Spalt. Meine Augen gewöhnten sich schnell an die Dunkelheit. Ich wagte es nicht, eine Lampe zu entzünden, denn das oberste Zimmer des Turms war vom gesamten Palastgelände aus zu sehen. Wenn Licht durch die Fenster fiel, würde jeder wissen, dass jemand hier war. Ich vermisste die Lampe nicht, meine Augen kamen mit wenig Licht hervorragend zurecht, eine Eigenschaft, die mir so manches Mal den Hintern gerettet hatte.
Obwohl das Interieur des Zimmers meine Neugier und Ehrfurcht weckte, vergaß ich nicht, weshalb ich gekommen war. Je schneller ich einen Diopter fand, desto besser. Vater bewahrte mehrere davon irgendwo hier auf, das wusste ich, weil ich ihn darüber hatte sprechen hören. Er besaß ein ganzes Arsenal an technischen Gegenständen, vor allem solche, die für Kriegswaffen verwendet wurden. Genau wie ich interessierte er sich für alles, das von Motoren angetrieben wurde, jedoch war ich auf dem Gebiet mittlerweile versierter als er, was ihn entweder stolz machte oder verbitterte, das vermochte ich nicht zu sagen. Er ließ sich nie eine Gefühlsregung anmerken.
Ich wagte mich weiter vor. Das Zimmer war größer als in meiner Erinnerung. Mehrere Tische, auf denen sich Aktenordner, Gefäße, halb auseinandergebaute Gewehre und kleinere Dampfmotoren stapelten, verteilten sich über den ganzen Raum. Für einen Ordnungsfanatiker wie mich glich es einem Albtraum. Im hinteren Teil stand ein riesiges Bücherregal. Es reichte bis zur Decke und war vollgestopft mit Hunderten Büchern verschiedener Größe und Farbe. Ich seufzte. Wenn ich in dem Durcheinander einen Diopter finden wollte, würde ich eine gehörige Portion Glück brauchen. Breanors mangelnde Ordnungsliebe stand im Gegensatz zu seinem geradlinigen und disziplinierten Soldatendasein. Wenn es um die Wissenschaft ging, schien er seine Sorgfalt zu vergessen.
Ich ging zu einem der Tische, öffnete die Schubladen und fand nur unbrauchbares Zeug: Schrauben, Zangen, Zahnräder und einen Lötkolben. Der dritte Tisch, den ich durchwühlte, förderte das Gesuchte zutage, was mein Herz vor Freude einen Sprung machen ließ. Es war zwar nur ein gebrauchter Diopter, zudem einer, der für meine Vorstellung ein wenig zu klein geraten war, aber immerhin auf dem neuesten Stand der Technik. Ich versenkte ihn in meiner Hosentasche und wollte mich gerade auf den Rückweg machen, als etwas auf einem Tisch ganz hinten im Zimmer meine Aufmerksamkeit erregte. Eine gläserne Kugel von der Größe einer Faust lag mitten auf der Tischplatte. Sie wirkte in dem Durcheinander aus Metallschrott fehl am Platz. Ich ging darauf zu und streckte die Hand nach ihr aus. Als meine Finger nur noch ein paar Zoll von der Kugel entfernt waren, begann sie plötzlich ein helles weißes Licht abzustrahlen. Der
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