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Fyn - Erben des Lichts

Fyn - Erben des Lichts

Titel: Fyn - Erben des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Kühnemann
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an. Diese Technik ist neu, und sie stammt aus unseren eigenen Reihen.«
    »Du meinst, es befinden sich Verräter unter uns?«
    Ivnin zuckte die Achseln. »Ich denke, damit wird sich die Liga nun befassen müssen, zumindest das, was von der Liga noch übrig ist.«
    Ich senkte den Kopf und versuchte angestrengt, einen klaren Gedanken zu fassen. Bei der Flut an Geschenken, die das Volk dem König schon seit Wochen anlässlich seines Geburtstages in den Palast hatte schicken lassen, dürfte es leicht gewesen sein, versteckte Sprengsätze zu deponieren. Aber Ivnin hatte recht. Es änderte nichts. Wir saßen in einer Zelle fest und zerbrachen uns den Kopf über Dinge, auf die wir keinen Einfluss hatten.
    »Leichtsinnigkeit wird immer bestraft«, sagte Ivnin. »Ich verstehe nicht, wie man eine Feier von diesem Ausmaß ausrichten kann, während im Volk die Kacke am Dampfen ist. Aber König Castios war noch nie für seine Umsicht bekannt. Mir war klar, dass die Morde an der alvischen Bevölkerung nur den Auftakt zu einer Revolution darstellten. Jetzt bekommen wir die Quittung.«
    Ein tiefer Seufzer entwich mir. Ich bemühte mich, Bestürzung zu empfinden, aber alles, was ich spürte, waren Schmerz, Verzweiflung und Selbstmitleid. Ich wollte mein altes Leben zurück. Der Blick in mein Innerstes war schockierend. Es interessierte mich nicht, ob der König lebte oder das Volk unzufrieden war. Für mich zählte einzig, ob ich je lebend meine Zelle verlassen würde. Ja, ich war ein selbstsüchtiger Egoist ohne einen Funken Ehre im Leib. Mein Perfektionsdrang, mein Wunsch, ein ruhmreicher Soldat zu werden – alles nur Mittel, um meine geschundene Seele mit ein wenig Anerkennung zu streicheln. Die Erkenntnis schmeckte bitter wie Galle.
    Eine endlos lange Zeit sagte niemand ein Wort. Ich war allein mit meinen düsteren Gedanken. Ivnin hielt den Kopf wieder gesenkt und rührte sich nicht mehr.
    Ich verlor das Zeitgefühl. Nur anhand des fehlenden Tageslichts konnte ich mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass es mitten in der Nacht war. Ich döste, möglichst darauf bedacht, mich nicht zu bewegen, denn die kleinste Drehung verursachte mir Schmerzen. Das Blut an meiner Stirn war mittlerweile getrocknet und spannte auf der Haut. Immerhin blutete die Wunde nicht mehr.
    Es rumpelte an der Tür. Ich schreckte auf. Es klirrte, als entfernte jemand von außen eine Kette oder einen Riegel. Nur einen Herzschlag später öffnete sich die schwere Holztür mit einem lauten Knarren. Ein schwacher Lichtschein von einer Gaslaterne fiel ins Innere der Zelle und blendete meine Augen. Ich vernahm das Geräusch schwerer Stiefel, die über den Boden schlurften. Dann stöhnte Ivnin, der erste Laut, den er seit Stunden von sich gab. Ein Tränenschleier versperrte mir die Sicht, sodass ich nur schemenhaft wahrnahm, wie jemand Ivnin zur Tür hinausschleifte. Dann fiel sie donnernd wieder ins Schloss. Erneut umgab mich Dunkelheit. Ich wischte mir mit dem Handrücken meiner gesunden Hand über das Gesicht. Mein Rücken schmerzte, denn ich hatte über Stunden hinweg in derselben Sitzposition verharrt.
    Wohin hatte man Ivnin gebracht? Würden sie auch mich bald hier herausholen? Obwohl mir bei dem Gedanken daran übel wurde, wünschte ich mir beinahe, jemand würde kommen und Notiz von mir nehmen. Ich langweilte mich schrecklich, jede Abwechslung, selbst eine Verschlechterung meiner Lage, wäre mir willkommen. Zudem fraß mich die nagende Ungewissheit über mein Schicksal beinahe auf. Ich hatte fürchterlichen Durst, mein Magen knurrte und mein Schädel schien zu bersten.
    »Norrizz? Bist du da?« Der Gedanke an den flatterhaften Geist verhieß ein Körnchen Zuversicht. Er hatte mir schon einmal das Leben gerettet, vielleicht konnte er es wieder tun. Doch er antwortete nicht. Ich war nahe dran, wie ein kleines Kind zu weinen, doch ich bewahrte mir das letzte bisschen Stolz, das ich noch im Leib hatte.
    Nach weiteren endlosen Stunden hielt ich es schließlich nicht mehr aus. Mein Hinterteil war eingeschlafen, der Rücken steif. Ungeachtet der stechenden Schmerzen ließ ich mich langsam nach vorn sinken, stützte mich auf meinen linken Arm und kroch zentimeterweise vorwärts zur Wand, die Knie nachziehend. Ich leckte über das feuchte Gemäuer und ignorierte mein Ekelgefühl. Der Durst war größer als jegliche Scham. Ich nahm ein paar Tropfen Flüssigkeit auf, die an der Wand herabliefen. Der Geschmack war widerlich und erinnerte an Schlamm und Verwesung, zudem

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