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Fyn - Erben des Lichts

Fyn - Erben des Lichts

Titel: Fyn - Erben des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Kühnemann
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von ihrem Vorhaben nicht abbringen. Sie griff beherzt unter meine Achseln und zerrte an mir, bis ich tatsächlich irgendwann auf meinen Füßen stand. Wacklig zwar, aber ich stand. Ich wunderte mich über meine unerwartete Kraft. Bezüglich meines Zustandes hatte ich mich gewaltig getäuscht. Ich war noch meilenweit davon entfernt gewesen, die Lebensgeister auszuhauchen und wusste nicht, ob mich dieser Gedanke schockieren oder ich mich über meine Wehleidigkeit ärgern sollte.
    »Wir müssen jetzt schnell hier weg«, sagte die Dame. »Es bleibt nicht viel Zeit.«
    »Nicht viel Zeit wofür?« Das waren die Worte, die ich sagen wollte , aber aus meinem Mund kam nur ein verwaschenes Nikfissawofü.
    Dennoch schien die Frau, die die Gewänder einer Kammerzofe trug, mich verstanden zu haben. »Na, für unsere Flucht natürlich, du Dummerchen.«
    Sie bugsierte mich Richtung Tür und öffnete sie mit der freien Hand. Ich setzte einen Fuß vor den anderen, als lernte ich das Laufen heute zum zweiten Mal. »Stell keine weiteren dummen Fragen«, piepste sie. »Ich erkläre dir alles später.« Mir blieb auch kaum etwas anderes übrig, also ergab ich mich in mein Schicksal.
    Sie führte mich über einen schmalen dunklen Gang, der an einer einfachen Holztür endete. Als sie diese aufstieß, schien mir helles Tageslicht ins Gesicht. Ich stöhnte und kniff die Augen zusammen. Sie funktionierten von jeher perfekt in der Dunkelheit, waren aber empfindlich im Tageslicht.
    Als sich der Tränenschleier auflöste, wagte ich einen Blick in meine Umgebung. Wir befanden uns in einem gepflegten, mit Kopfsteinpflaster ausgelegten Hinterhof, den mehrere flache Gebäude säumten. Die gesamte Anlage umgab eine etwa zehn Yards hohe Mauer. Ich warf einen Blick über die Schulter. Hinter dem Gefängnis ragte eine Burg in den Himmel auf, von deren Zinnen rote Flaggen wehten, die mit einem schwarzen Bärenkopf bestickt waren. Aha. Man hatte mich also in die Burg von Lord Awbreed nach Denfolk gebracht, eine von Menschen besiedelte Provinz im Norden Calaniens.
    »Werden die Zellen nicht bewacht?«, fragte ich mit belegter Stimme.
    Die Zofe wies mich mit einer Handbewegung an, still zu sein. »Hältst du mich für einfältig?«, fuhr sie mich mit gedämpfter Stimme an, wobei sich die Brauen über ihren grünen Augen zusammenzogen, sodass sich eine tiefe Falte auf ihrer Stirn bildete. »Ich habe natürlich dafür gesorgt, dass der Wachmann … nun ja … unpässlich ist. Jetzt diskutiere nicht mit mir herum, sondern mach, dass du vorwärtskommst.«
    Die Schmerzen hinderten mich daran, mir Gedanken über das seltsame Verhalten der jungen Frau zu machen, deshalb vertagte ich meine Fragen auf einen späteren Zeitpunkt und gehorchte einstweilen.
    Sie führte mich auf die andere Seite des Hofes, um ein einstöckiges Gebäude herum und in einen schmalen Durchlass zwischen zwei Häuserwänden hinein. Ich schätzte, dass es sich um Soldatenunterkünfte handelte, die sich in unmittelbarer Nähe zu Burg Denfolk befanden und sich daran anschlossen. Dichte Wolken bedeckten den Himmel, aber es war dennoch hell, deshalb mutmaßte ich, dass es früher Nachmittag war. Eine ungewöhnliche Zeit für eine Flucht, aber die Kammerzofe schien auch eine ungewöhnliche Frau zu sein. Sie verstörte mich zutiefst.
    In der schmalen Gasse stand ein Pferd, gesattelt und mit zwei Packtaschen beladen. Ein gepflegter Wallach, ein Kavalleriepferd von gleichmäßiger fuchsbrauner Farbe.
    »Kannst du allein aufsteigen?«
    Ich schüttelte den Kopf. Mit nur einem brauchbaren Arm war ich nicht in der Lage, mich am Sattelknauf hinaufzuziehen. Sie stieß ein missmutiges Knurren aus, packte mich ohne Umschweife an den Beinen und versuchte, mich unter Stöhnen anzuheben, was einer zierlichen Frau natürlich nicht gelingen konnte. Ich biss mir auf die Zunge, unterdrückte einen Schmerzensschrei und zog mich kurzerhand mit einem Arm auf den Sattel, bis ich quer darüber lag. »Schieb mein Bein rüber«, presste ich hervor. Glücklicherweise schien die Dame schnell von Begriff zu sein, denn sie schaffte es, mich unter erheblicher Kraftanstrengung in eine aufrechte Sitzposition zu bringen. Sie nahm die Zügel und führte das Pferd zurück auf den Hof. Hinter den Fenstern der Kaserne blieb es dunkel, auch sonst sah ich niemanden bei den Ställen oder in der Nähe des Gefängnisgebäudes. Alles wirkte verlassen und ausgestorben.
    »Mein Name ist übrigens Ylenia Harron«, sagte sie. »Ich bringe dich

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