Fyn - Erben des Lichts
die Augen aufschlug, war es ein wenig heller um mich herum. Tageslicht. Diesmal gelang es mir, an meinen Kopf zu fassen. Ich griff in etwas Klebriges, das ich beim Betrachten meiner Fingerspitzen als Blut identifizierte. Zumindest hatte sich mein Sehvermögen zurückgemeldet. Nachdem ich noch eine gefühlte Ewigkeit liegen geblieben war, versuchte ich, mich mit den Händen abzustützen und meinen Oberkörper aufzurichten, aber mein rechter Arm ließ sich nach wie vor nicht bewegen. Als ich es dennoch probierte, schoss mir ein Schmerz durch Mark und Bein, der mich unwillkürlich aufschreien ließ. Ich hob den Kopf einen Zoll weit an und stellte fest, dass der Knochen meines Unterarms gebrochen war.
»Hallo?« Meine Stimme klang dünn und belegt. Ein Ächzen, etwa zwei Yards von mir entfernt, verriet mir, dass ich nicht allein war. »Können Sie mir helfen?« Ich sprach so leise, dass ich mich selbst kaum verstand. Niemand antwortete. Ich beschloss, nicht mehr länger liegen zu bleiben und drückte mich mit aller Kraft mit dem gesunden linken Arm vom Boden ab. Obwohl ich dabei vor Schmerz jammerte und winselte, schaffte ich es, mich in eine aufrechte Sitzposition zu befördern. Mein gebrochener Arm hing schlaff neben meinem Körper. Mir wurde schwindlig und ich musste mich konzentrieren, um nicht in Ohnmacht zu fallen. Ich kniff die Augen zu. Nach einigen tiefen Atemzügen verging das Gefühl und ich wagte es, sie wieder zu öffnen. Mit der linken Hand betastete ich meinen Schädel. Ich hatte zwar eine Platzwunde davongetragen, aber der Knochen schien nicht gebrochen zu sein.
Ich befand mich auf dem Boden eines nahezu leeren Raumes. Lediglich eine weitere Person, die mit dem Rücken in der Zimmerecke lehnte, befand sich noch hier. Der Kopf des Mannes lag auf dessen Brust. Im oberen Teil einer Wand gab es ein kleines Fenster, kaum größer als mein Kopf. Tageslicht fiel von dort herein. Eine schwere verschlossene Holztür gegenüber dem Fenster versperrte den Weg nach draußen. In einer anderen Ecke stand ein schwarzer Eimer. Mehr gab es nicht. Schnell schlussfolgerte ich, dass ich mich in einer Gefängniszelle befand. Ich kannte die Zellen unterhalb des Palastes, aber ich war mir sehr sicher, mich nicht dort zu befinden. Die Liga gönnte ihren Gefangenen immerhin eine Pritsche, auch waren die Räume im königlichen Gefängnis größer. Außerdem hätte keiner meiner Leute einen Grund gehabt, mich in den Kerker zu werfen. Nein, dies war ein fremdes Gefängnis.
Ich betrachtete den Mann in der Ecke. Er trug eine weiße Uniform, verdreckt und blutverschmiert. Ein Soldat der Liga. An seinem dichten blonden Schopf, der ihm wirr vom Kopf abstand, erkannte ich Ivnin, einen der besten Kämpfer und Mitglied der königlichen Leibwache. Ich hatte nie viel mit ihm gesprochen. Ivnin rührte sich nicht, aber er atmete. In unregelmäßigen Abständen stöhnte er.
Ich versuchte, die Puzzleteile gedanklich zusammenzufügen, was mir aufgrund meiner rasenden Kopfschmerzen nur schwer gelang. Einer der Nordmänner musste mir auf den Kopf geschlagen haben. Ob sie noch weitere Gefangene gemacht hatten? In welcher Stadt befand ich mich überhaupt?
»Vermutlich bist du in einem der Gefängnisse der Herzogtümer des Nordens. Wo sonst?«
Ich zuckte zusammen. Wie aus dem Nichts tauchte Norrizz vor mir auf. Er hockte auf dem Eimer in der Zimmerecke.
»Du.« Ich sagte nur ein Wort, aber ich legte all meinen Hass hinein. Das Sprechen fiel mir schwer.
»Natürlich ich. Sei mir dankbar, dass du wenigstens noch einen Freund hast.«
Ich vermied, ihm in die Augen zu sehen. Ich wusste auch so, dass er hämisch grinste. »Verschwinde. Du kommst immer dann, wenn es mir schlecht geht.«
»Aber das tun Freunde doch immer, oder etwa nicht?« Er versuchte, bestürzt zu klingen, aber ich vernahm deutlich den Hohn in seiner Stimme.
»Kannst du mich hier herausholen?«
»Das liegt an dir.«
Ich hatte nicht die Kraft, mich auf eine philosophische Diskussion mit einem Geist einzulassen, deshalb schwieg ich. Auf Norrizz konnte ich ohnehin nicht zählen. Er war unbeständiger als das Wetter im April, zudem hatte er mit seinem Eingreifen bislang meist mehr Schaden angerichtet, als dass er hilfreich gewesen wäre.
»Mit wem sprichst du?« Ivnin hob den Kopf ein wenig. Unsere Blicke trafen sich. Seine Augen waren rot und geschwollen. Er zog die Nase hoch und spuckte neben sich aus.
Ich wandte den Kopf. Norrizz war wieder verschwunden. »Ich spreche mit mir
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