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Fyn - Erben des Lichts

Fyn - Erben des Lichts

Titel: Fyn - Erben des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Kühnemann
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durch den Seitenausgang der Burg ins Freie.«
    Obwohl mir das Sprechen schwerfiel und mein Hals kratzte, als hätte ich Sand geschluckt, konnte ich meine Fragen nicht mehr zurückhalten. »Weshalb hilfst du mir? Und warum am helllichten Tag? Ist das nicht ein wenig auffällig?«
    Sie warf mir einen herablassenden Blick zu. »Woher willst du wissen, dass ich dir helfen will?« Sie grinste verstohlen, machte dann eine beschwichtigende Geste, als sie meinen entsetzten Gesichtsausdruck bemerkte. »Das war ein Scherz. Ich bringe dich hier raus. Und natürlich mache ich das am helllichten Tag. Des Nachts würde doch jeder sofort Verdacht schöpfen.«
    Ich war so perplex, dass ich mich nicht dazu imstande fühlte, ihr eine passende Antwort zu geben. Ihre Logik verwirrte mich.
    Sie führte das Pferd an der Umfriedung der Burg entlang, bis wir an ein Tor gelangten. Aus dem Wachhäuschen trat ein Mann. Er trug eine schmucke Uniform, und auch seine Haltung und der strenge Blick ließen auf ein Soldatenleben schließen. Er grüßte Ylenia, indem er nickte. »Wohin bringen Sie den Gefangenen?«, verlangte er zu wissen. Er schien keinerlei Verdacht zu schöpfen, denn seine Frage war nüchtern und seine Stimme emotionslos.
    »Zur Bärenhöhle. Das ist ein Befehl des Lords.« Ylenia zog einen Zettel aus der Tasche ihrer Schürze und reichte ihn dem Soldaten. Das zusammengefaltete Stück Papier war mit Wachs verschlossen. Selbst vom Pferd aus erkannte ich das Siegel von Lord Awbreed. Mich durchfuhr ein Schreck. Ich hatte von der Bärenhöhle der Awbreeds gehört. Seit Jahrhunderten hielten sie sich Raubtiere in einem Lustgarten vor den Toren der Burg. Man sagte ihnen nach, die zum Tode verurteilten Gefangenen an die Bären zu verfüttern. Ich hatte das bislang für ein Märchen gehalten, jetzt schien es mir zur grausigen Realität zu werden. Weshalb sonst sollte mich jemand dorthin bringen wollen? Vor mein geistiges Auge schoben sich Bilder von der zerfetzten Leiche Ivnins, an dessen Knochen ein Bär nagte. Mir wurde speiübel. Wäre ich nicht so schwach gewesen, hätte ich vermutlich versucht, vom Pferd zu springen. Dann hätte mich der Soldat erschossen, doch das erschien mir ein wesentlich angenehmerer Tod zu sein, als von einem Bär bei lebendigem Leib verspeist zu werden.
    Der Soldat brach das Siegel, entfaltete den Brief und ließ sich mit dem Lesen viel Zeit. »Sie sollen ihn also ganz allein dorthin bringen?« Er musterte Ylenia von oben bis unten. »Eine Zofe ohne Begleitung?«
    »Der Jagdmeister des Lords erwartet mich auf halbem Weg.« Ylenia warf einen Blick auf mich. »Der Gefangene ist kaum in der Lage, sich im Sattel zu halten, geschweige denn abzusteigen. Er wird nicht flüchten.«
    Der Soldat schnaubte, wies Ylenia jedoch mit einer Geste an, das Tor zu passieren. Sie bedankte sich mit einem Kopfnicken und führte das Pferd hinaus.
    Es war ein schöner Tag im Spätsommer mit klarem Wetter und reiner Luft. Ich kannte nur die verpestete Luft von Elvar – der Geruch von Tannen, Moos und Erde befremdete mich. Beinahe hätte ich die Aussicht genossen, wenn nicht die nagende Angst in mir gewesen wäre. Die Umgebung von Burg Denfolk war idyllisch, der Weg verlief im Schatten hoher Bäume durch ein kleines Wäldchen, ehe er in ein Dorf mündete, das diesen Namen kaum verdiente. Es war vielmehr eine Ansammlung von Holzhütten. Schweine grunzten in den Gärten, Wäscheleinen spannten sich zwischen den Häuserwänden. Ich fragte mich, wann wir den Lustgarten des Herzogs erreichen würden.
    »Habt Ihr Ivnin auch an die Bären verfüttert?« Durch die Erschütterungen der Pferdeschritte nahmen meine Kopfschmerzen wieder zu. Fast sehnte ich mich danach, dass mir ein Bär die Kehle herausriss.
    Ylenia drehte sich zu mir um und warf mir einen Blick zu, als wäre ich ein Aussätziger. »Sprichst du von deinem Kameraden? Ich weiß nicht, was mit ihm passiert ist.« Sie wandte sich rasch wieder ab, aber ich konnte mich des Gefühls nicht erwehren, dass sie mich belog. Ich hatte nicht die Kraft, mich mit einer zickigen Hausdienerin zu streiten.
    »Wo ist das Bärengehege? Ich wünsche ein schnelles Ende.« Ich bemühte mich, möglichst sarkastisch zu klingen.
    Ylenia stieß ein ungeduldiges Knurren aus. »Bist du so dämlich oder tust du nur so? Ich rette deinen Hintern. Ich habe nicht vor, dich verfüttern zu lassen.«
    Ich atmete ein paar Mal tief ein und aus, denn das Sprechen strengte mich an. »Und was ist mit dem Befehl des Lords?

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