Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fyn - Erben des Lichts

Fyn - Erben des Lichts

Titel: Fyn - Erben des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Kühnemann
Vom Netzwerk:
Du sollst mich zur Bärenhöhle bringen.«
    Ein Lachen ertönte, glockenrein, aber voller Hohn. »Ich habe den Brief gefälscht.« Sie drehte sich erneut zu mir um, wobei ihre grünen Augen mich zornig anfunkelten. »Wehe, du stirbst, ehe wir wieder in Elvar sind.«
    Nur langsam sickerte die Bedeutung ihrer Worte bis in meinen Verstand. Wollte sie mich tatsächlich zurück in meine Heimatstadt bringen? Ich starrte sie an und erwiderte nichts, denn ein scharfer Schmerz schoss mir in den rechten Arm, als das Pferd auf einen Stein trat und strauchelte. Ich jaulte wie ein Wolf.
    Irgendwann musste ich das Bewusstsein verloren haben, denn als ich die Augen wieder öffnete, hatte sich meine Umgebung deutlich verändert. Ylenia führte das Pferd über eine gepflasterte, von gemauerten mehrstöckigen Gebäuden gesäumte Straße. Menschen tummelten sich auf dem Gehsteig, Kutschen polterten an uns vorüber, Peitschen knallten. Es war das geschäftige Treiben einer Stadt, doch sie ähnelte Elvar nicht im Geringsten. Sie schien ausschließlich von Menschen bewohnt zu sein, vornehmlich Bauern, die sich die feine Kleidung der Großstadtbewohner nicht leisten konnten. Die Leute trugen weder schicke Hüte noch maßgeschneiderte Anzüge. Niemand rannte über den Gehsteig, weil er es eilig hatte, oder stieß seine Mitmenschen beiseite. In Elvar gehörte dies beinahe zum guten Ton.
    Der Geruch von Essen hing in der Luft, mein Magen krampfte sich zusammen. Mir fiel die Sauberkeit der Straßen auf, gepflegt und frei von Abfall und Unrat. In mancherlei Hinsicht hätte Elvar sich ein Beispiel an der Lebensweise dieser Menschen nehmen können. Ich war nie weit über die Stadtgrenzen der Hauptstadt hinausgelangt, doch ich hatte mir die Städte, in denen ausschließlich Menschen lebten, primitiver und dreckiger vorgestellt.
    »Ylenia?« Mir kam nur ein heiseres Krächzen über die Lippen, doch sie drehte sich zu mir um und lächelte.
    »Du bist wach. Ich dachte schon, du würdest aus dem Sattel fallen. Was hab ich gehofft, dass du mir bloß sitzen bleibst!«
    »Wo sind wir?«
    »In Brysben. Wir haben schon ein gutes Stück Weg nach Süden zurückgelegt. Mir tun allmählich die Füße weh und du musst dringend ärztlich versorgt werden. Wir sind bald da.«
    »Was meinst du damit? Wo sind wir bald?«
    »Hör doch mal auf, so blöde Fragen zu stellen! Du nervst, ehrlich. Ich kenne eine Herberge, in der wir eine Weile bleiben können.«
    Selten machte mich etwas sprachlos. Diese Dame erschütterte mein Bild von der Frauenwelt jedoch so sehr, dass ich tatsächlich nicht wusste, wie ich ihr begegnen sollte. Ich hatte schon geglaubt, eine Frau an der Akademie sei eine Novität, aber ein grün gestreiftes fliegendes Pferd hätte mich nicht minder in Erstaunen versetzt als dieses Weibsbild. Die Damen bei Hofe verhielten sich allesamt steif und benahmen sich nach Etikette. Aus irgendeinem Grund hatte ich geglaubt, es läge in der Natur der Damen, sich unnahbar und distanziert zu geben. Ich hatte in meinem ganzen Leben keine Frau kennengelernt, die Widerworte gab oder sich über irgendetwas beschwerte. Mit Ausnahme der Straßenhuren natürlich, aber wenn ich genauer darüber nachdachte, hatte ich die ohnehin nie als menschliche Wesen betrachtet. Entweder hatte Ylenia keine gute Kinderstube genossen oder mit meinem Weltbild stimmte irgendetwas nicht. Für den Moment hatte sie es jedenfalls geschafft, mich mundtot zu machen.
    Sie führte das Ross in eine schmale Gasse, kaum breiter als der Pferderücken. Am Ende des Weges erweiterte sie sich und mündete in einen Hof, der von drei Seiten durch Häuser begrenzt wurde. Ein paar Hühner flatterten umher, als Ylenia das Pferd an ein Geländer vor der Tür eines Hauses festband, über der ein handgeschriebenes Schild hing. Zimmer frei stand in roten krakeligen Buchstaben darauf. Niemand, der nicht wusste, dass sich am Ende dieser Gasse eine Herberge befand, wäre auf die Idee gekommen, hier nach einer solchen zu suchen.
    »Kannst du absteigen?«
    Mir fiel es schwer, zuzugeben, dass ich es nicht konnte. Ich wollte ihre Hilfe nicht, doch mein Hintern war eingeschlafen, meine Glieder steif und mein Arm unbrauchbar. Ylenia bat mich, zu warten – Sehr witzig, wo hätte ich auch hingehen sollen, wenn ich nicht einmal in der Lage war, abzusteigen? Sie verschwand im Inneren des Gasthauses. Wenig später kam sie mit einem massigen Kerl wieder heraus, der eine verschmierte Kochschürze trug. Er hatte eine Halbglatze und

Weitere Kostenlose Bücher