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Fyn - Erben des Lichts

Fyn - Erben des Lichts

Titel: Fyn - Erben des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Kühnemann
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veränderte, war seine Frisur. Er trug die Haare immer auf dieselbe Art wie ich. Anfangs hatte ich geglaubt, er wollte mich damit veralbern, doch vielleicht wohnte dem eine tiefere Bedeutung inne. An diesem Tag waren seine Haare zerwühlt und knotig, ebenso wie meine.
    »Danke«, sagte ich und leckte mir den letzten Tropfen Flüssigkeit von den Lippen. Norrizz nickte. »Weshalb bist du hier? Was willst du eigentlich von mir?« Ich dachte, die Gelegenheit sei günstig, um mehr als ein paar höhnische Kommentare von ihm zu ernten.
    »Das weiß ich nicht.«
    Ich warf ihm einen skeptischen Blick zu. »Du musst doch wissen, weshalb du hier bist. Du lässt dich manchmal wochenlang nicht sehen, und dann erscheinst du in den unmöglichsten Augenblicken.«
    »Diese Frage musst du dir selbst stellen. Du bist es doch, der mich hierher bringt.« Ich forschte in seinem Gesicht, fand aber kein Anzeichen von Unaufrichtigkeit.
    »Und wo bist du, wenn du nicht hier bist?«
    Norrizz zuckte die Achseln. »Seltsame Frage. Ich bin dort, wo du auch bist.« Er schüttelte den Kopf in einer Weise, wie ich es immer tat, wenn ich mich über die Dummheit anderer Leute aufregte.
    »Ich verstehe dieses du und ich nicht«, fuhr er fort. »Ich frage dich doch auch nicht, weshalb es dich gibt. Was glaubst du, wie blöd es erst für mich ist? Ich habe mich einfach nur besser damit arrangiert als du.«
    Meine Knie begannen zu zittern. Es fiel mir schwer, die Bedeutung seiner Worte zu begreifen. Wollte er damit sagen, dass wir uns ein und denselben Körper teilten? Allein bei dem Gedanken daran, diesen weißhaarigen Irren ständig mit mir herumzuschleppen, wurde mir speiübel.
    Ich machte den Mund auf, um etwas zu sagen, aber in diesem Moment öffnete sich knarrend die Zimmertür. In null Komma nichts war Norrizz verschwunden. Wut durchflutete mich wie eine heiße Woge.
    »Mit wem sprichst du?« Ylenia stieß die Tür auf und betrat das Zimmer, als wäre es eine Selbstverständlichkeit. Scheinbar verschwendete sie keinen Gedanken daran, dass es mir nicht recht sein könnte.
    »Kannst du nicht anklopfen?«, fuhr ich sie an.
    »Bis gestern hast du noch auf dein Kopfkissen gesabbert. Glaubst du, ich habe jedes Mal angeklopft, wenn ich nach dir gesehen habe?« Ylenia machte einen Schritt auf den Tisch zu und stellte einen flachen Pappkarton darauf ab. Eddison & Gable – Bekleidung für alle Anlässe stand in schwarzen geschwungenen Lettern darauf. Ylenia trug indes ein bodenlanges Kleid, das der Mode eines Großstädters entsprach – hochgeschlossen und am Hinterteil weit aufgebauscht. Auf ihrem Kopf saß ein breitkrempiger dunkelgrüner Hut, der farblich perfekt zum Kleid passte. Ich wunderte mich zwar über das für eine Kammerzofe ungewöhnliche Äußere, verkniff mir jedoch einen Kommentar.
    »Da du mich anscheinend sprechen gehört hast, wirst du doch gemerkt haben, dass ich wach bin.«
    Ylenia schüttelte den Kopf, sodass ihre dunkelbraunen Locken, die unter dem Hut hervorlugten, wippten. »Es soll Menschen – und sicherlich auch Alven – geben, die im Schlaf sprechen.« Ihr Tonfall war schnippisch, ja geradezu beleidigt.
    Ich gab mich geschlagen. Von jeher hasste ich zermürbende Diskussionen, und mein körperlicher Zustand nagte zusätzlich an meinen Nerven.
    Ylenia raffte ihren Rock und ließ sich mit einem übertriebenen Seufzen auf den Stuhl fallen. Sie kam nicht auf die Idee, mich zu fragen, wie es mir ging, oder ob ich einen Wunsch hatte. Für eine Kammerzofe war sie nicht gerade zuvorkommend und hilfsbereit. Vielleicht verhielten sich Menschen anders als Alven, archaisch und ordinär. Ich hatte ihre Rasse immer für primitiv und einfältig gehalten, und Ylenia bestärkte mich in meinen Vorurteilen.
    »Zumindest bist du wach«, sagte sie, ohne den Blick von ihren Fingernägeln zu wenden, die sie ausgiebig begutachtete. »Ich hatte schon befürchtet, die ganze Arbeit wäre umsonst gewesen. So langsam gehen nämlich meine Geldvorräte zur Neige. Jonah hat die Preise angezogen. Es ist eine Unverschämtheit.« Sie warf den Kopf herum und spitzte den Mund, wie es trotzige Kinder manchmal taten.
    »Jonah?«
    Sie warf mir einen abfälligen Blick zu, als hielte sie mich für dumm. »Der Wirt. Ich bin in der Vergangenheit schon einmal hier eingekehrt, aber damals waren die Preise niedriger. Die Steuern fressen uns alle auf.« Sie funkelte mich vorwurfsvoll an, als wäre die Steuerpolitik des Königs meine Schuld. »Kein Wunder, dass die Menschen

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