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Fyn - Erben des Lichts

Fyn - Erben des Lichts

Titel: Fyn - Erben des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Kühnemann
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kein besonders ansehnliches Gesicht. Ich vermutete, dass es sich um den Wirt handelte. Gemeinsam halfen sie mir aus dem Sattel. Ich biss mir auf die Unterlippe, bis ich Blut schmeckte. Der kräftige Kerl umfasste unsanft meine Taille und trug mich mit schweren Schritten, die mich bis ins Mark erschütterten, ins Haus. Eine Ohnmacht entließ mich gnädig ins Dunkel.

    Als ich das nächste Mal erwachte, hatte man meinen Arm geschient und mich gewaschen. Ich trug saubere Kleidung und lag in einem weichen Bett, das sich in einem spartanisch eingerichteten Zimmer befand. Um mich herum herrschten Sauberkeit und Ordnung. Keine persönlichen Gegenstände zierten den Raum. Kurz: Es entsprach meinem Geschmack. Ich wusste nicht, wie lange ich geschlafen hatte. Meine Schmerzen hatten deutlich nachgelassen und auch mein Verstand arbeitete endlich wieder zuverlässig. Ich stemmte meinen ungeschienten Arm auf die Bettkante und hievte meinen Oberkörper langsam von der Matratze. Erstaunlich, wie schnell ein Körper seine Muskelkraft einbüßt, wenn er nicht regelmäßig Gebrauch davon macht. Jedenfalls entschied ich mich gegen das Aufstehen, zumal ein Schwindelanfall mich packte und mir den Magen umdrehte. Schnell ließ ich mich zurück in die Federn sinken.
    »Hallo?« Meiner Kehle entwich nur ein Krächzen, kaum wahrnehmbar. Ich räusperte mich und wiederholte meine Frage, diesmal mit mehr Kraft. »Hallo? Ist da jemand?« Niemand antwortete. Ich drehte meinen Kopf und begutachtete den Teil des Zimmers, den ich liegend vom Bett aus sehen konnte. Über einem Stuhl, der unter einem kleinen Holztisch stand, hing ein Frauenkleid. Ylenia . Ich hatte sie schon beinahe vergessen. Die Kammerzofe aus Lord Awbreeds Gefolge, die mir aus unerfindlichen Gründen zur Flucht verholfen hatte. Ich versuchte verzweifelt, das Puzzle in meinem Gehirn zusammenzufügen, ging gedanklich in allen Einzelheiten die vergangenen Ereignisse durch, doch ich konnte mir keinen Reim auf ihr Verhalten machen.
    Mein Mund fühlte sich trocken an, ich hatte schrecklichen Durst. Auf dem kleinen Tisch entdeckte ich eine Schale, neben der ein Krug stand. Ich vermutete Wasser darin. Mit heiserer Stimme fluchte ich wie ein Rohrspatz bei dem Versuch, mich langsam von der Bettkante zu rollen. Ich unterbrach mein Vorhaben, als mir die altbekannten Schmerzen in den Arm zurückschossen.
    »Das würde ich an deiner Stelle lieber sein lassen.«
    Ich riss den Kopf ruckartig zur Seite. Norrizz saß lässig auf dem Stuhl, die Arme hinter dem Kopf verschränkt, die Füße unter den Tisch gestreckt.
    »Du schon wieder, du lästiger Plagegeist. Geh und spuke woanders herum.« Ich spie ihm die Worte förmlich entgegen.
    Norrizz stieß ein höhnisches Lachen aus. »Spuken? Für wen hältst du mich? Geh doch selbst mit den Ketten rasseln.«
    Unsere Blicke trafen sich, und seine blassgrauen Augen erinnerten mich mehr denn je an die eines Toten. Die schlohweißen Haare entkräfteten diesen Eindruck nicht gerade. Ich nahm mir zum ersten Mal in meinem Leben die Zeit, ihn eindringlich anzusehen, denn auch er starrte mich unverblümt an, eine Geste, die ich von ihm nicht gewohnt war. Mir fuhr ein Schreck durch die Glieder, als mir auffiel, wie ähnlich seine Gesichtszüge den meinen waren.
    »Warum siehst du mich an wie ein Schwachsinniger?«, fragte ich ihn. Ich fühlte mich beobachtet.
    »Ich habe über deine Worte nachgedacht«, sagte er und sein Tonfall ließ mir einen Schauder über den Rücken laufen. Er sprach langsam und ruhig mit mir, ohne die Spur von Spott oder Häme in der Stimme. Er jagte mir ernsthaft Angst ein. Ich hatte ihn immer als Teil meines Lebens betrachtet, jedoch nie wirklich darüber nachgedacht, wer oder was er war.
    »Welche Worte?«
    »Du denkst tatsächlich, ich sei ein Geist, oder?«
    »Ich könnte wesentlich klarer denken, wenn du mir etwas Wasser geben würdest.«
    Norrizz nahm den Krug, stand vom Stuhl auf und kam zu mir. Ich verfolgte jede seiner Bewegungen, wobei mir auffiel, dass er keinen Schatten warf. Er hielt mir den Krug an die Lippen, stützte meinen Kopf und flößte mir etwas von dem Wasser ein, das widerlich abgestanden schmeckte. Er stellte den Krug neben das Bett und kniete sich vor mich, so nah, dass ich seinen Geruch hätte wahrnehmen müssen, wenn ihm einer angehaftet hätte. Doch er roch nach gar nichts. Norrizz trug immer dieselbe Kleidung – ein pechschwarzes Hemd und schwarze Hosen. Das Einzige, was sich auf sonderbare Weise an ihm

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