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Fyn - Erben des Lichts

Fyn - Erben des Lichts

Titel: Fyn - Erben des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Kühnemann
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aus den Händen, dabei biss ich mir auf die Unterlippe, denn ein dumpfer Schmerz schoss mir in die Schulter. Innerlich schrie ich mich an, nicht wehleidig zu sein. Der Schmerz ärgerte mich und ich hasste mich für etwas, das ich nicht ändern konnte. Wie zur Demonstration meiner Stärke hob ich die Tasche weit über meinen Kopf.
    »Da! Siehst du? Ich kann das Scheißding für dich tragen.«
    Ich wandte mich hastig ab, denn ich wusste, wie lächerlich mein Verhalten auf Ylenia wirken musste. Ein Glück, dass sie es nicht kommentierte, sondern wortlos neben mir herlief. Der Mann im Vorgarten schüttelte nur ungläubig den Kopf und widmete sich wieder dem Unkraut.
    Ich war noch längst nicht wieder vollständig bei Kräften, nach nur einer halben Stunde zitterten mir bereits die Muskeln. Obwohl ich nicht gläubig war, schickte ich ein Stoßgebet zum heiligen Sinjar, dass er mich nicht vor den Augen Ylenias – oder schlimmer noch: vor denen Vaters – zusammenbrechen ließ.
    Als die Straße eine Biegung machte, gab sie den Blick auf die Dächer der Großstadt frei. Wir befanden uns auf einer kleinen Anhöhe, von wo aus sich der Weg hinabschlängelte bis in den Schlund von Elvar. Ich blieb stehen, stellte die Tasche ab und sah ins Tal hinunter. Die Verschnaufpause tat mir gut.
    Ylenias Blick schweifte über die rauchenden Schlote und hässlichen Fabrikgebäude. Ich versuchte, in ihrem Gesicht einen Anflug von Enttäuschung wahrzunehmen, doch es blieb ausdruckslos. Die meisten Menschen und Alven, die zum ersten Mal nach Elvar kamen, brüskierten sich über das Stadtbild, doch Ylenia schwieg beharrlich. Entweder war sie entgegen ihrer Aussage schon einmal hier gewesen oder sie hatte nichts anderes erwartet. Vielleicht wurde ihr auch einfach nur bewusst, dass ihr keine andere Wahl blieb, denn nach Denfolk würde sie nie wieder zurückkehren können.
    Der Anflug eines schlechten Gewissens streifte mich, denn durch meine Rettung hatte sich Ylenia in eine ungewisse Zukunft begeben. Ich hoffte, dass man ihr tatsächlich eine Arbeit im Palast anbot, denn ich hatte das beschämende Gefühl, es ihr schuldig zu sein.
    Ich atmete die kühle Morgenluft in meine Lungen, und der vertraute Geruch von Ruß und Staub stieg mir in die Nase. In der Ferne konnte ich das Meer erahnen. Der Gedanke an die Insel, auf der ich beinahe das Leben verloren hatte, bescherte mir ein flaues Gefühl im Magen.
    Ylenia streckte die Hand aus und deutete auf eine Stelle nahe der westlichen Stadtgrenze. »Ist das der Palast?«
    »Nein, das ist der Perlenturm. Der Palast ist das niedrige Gebäude daneben.«
    Das Heim der Soldaten der Weißen Liga stach hell aus dem dunklen Stadtbild hervor, obwohl auch dessen weiße Wände nicht von den Ablagerungen der Schlote und Schornsteine verschont blieben. Einmal im Jahr ließ der König alle Außenmauern reinigen, und die leuchtende Pracht, die unter dem Dreck zum Vorschein kam, versetzte mich jedes Mal aufs Neue in Erstaunen.
    »Der Fluss, der dort unten durch die Stadt fließt, ist der Niral, nicht wahr?«, fragte Ylenia. »Kann man darin baden?«
    Unwillkürlich musste ich prusten. »Du kannst es versuchen, aber ich würde dir nicht dazu raten, wenn du dich anschließend noch in Gesellschaft begeben möchtest.«
    Ylenia lachte herzlich. Ich bemerkte, wie hübsch sie war, wenn sie die Augenbrauen nicht zusammenzog und einem verletzende Dinge an den Kopf warf.
    Ich schulterte die Tasche erneut, und diesmal war der Schmerz erträglicher als beim ersten Mal. Jeder Schritt, mit dem ich mich meinem Zuhause näherte, beflügelte mich, bis ich schon beinahe gewillt war, meine Gemütsverfassung als beschwingt und munter zu beschreiben.
    Leider milderte sich meine Vorfreude ein wenig ab, als wir das Stadttor passierten. Das Treiben auf den Straßen war geschäftig wie immer, doch ich nahm eine Änderung der Stimmung und der Atmosphäre wahr, die nur jemandem auffallen konnte, der Elvar sehr gut kannte. Ein ängstlicher Blick hier, ein rüdes Schimpfwort dort oder der Anblick einer Mutter, die ihr Kind an der Hand eilig hinter sich herzog. Die Haare in meinem Nacken sträubten sich. Ich sah keine Alven auf den Straßen, und in mir regte sich der unbedingte Wunsch, eine Kapuze über den Kopf zu ziehen.
    Nach einem Marsch von fast zwei Stunden, der mich an die Grenzen meiner Belastbarkeit brachte, erreichten wir endlich das Tor zum Palastgelände. Ich beschleunigte meine Schritte, das Herz schlug mir bis zum Hals. Obwohl es

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