Fyn - Erben des Lichts
eine Anstellung bei Hofe«, sagte ich zähneknirschend. Ich schämte mich für sie, obwohl ich mir nicht erklären konnte, weshalb ich mich für ihr Betragen verantwortlich fühlte.
Vater nickte und verzog das Gesicht zu einem schiefen Grinsen. »Sie muss eine mutige Frau sein, und noch dazu sehr naiv.«
»Ich halte sie für äußerst intelligent.« Die Worte klangen fremd aus meinem Mund. Das Bestreben, sie verteidigen zu müssen, verwunderte mich.
»Es ist eine ziemlich gewagte Taktik, und es würde mich nicht einmal erstaunen, wenn Castios sie tatsächlich anstellen würde.« Breanor tat einen tiefen Atemzug und sah mir eindringlich in die Augen. Mir trat der Schweiß auf die Stirn.
»Sie ist eine Menschenfrau aus dem Norden«, fuhr er fort und senkte die Stimme, als wollte er mir ein Geheimnis anvertrauen. »Dass sie sich überhaupt hierher wagt, zeugt entweder von großem Mut oder großer Dummheit. Sie hat Glück, dass Castios ein weichherziger Alve ist. Wenn du es ihm nahelegst, wird er sie bei Hofe anstellen.« Er machte eine Pause. »Traust du ihr? Verbürgst du dich für sie?«
Ich hatte noch nicht darüber nachgedacht. Es hing also von meiner Aussage ab, ob man Ylenia eine Chance bot oder nicht. Ich kannte sie nicht genug, um für ihre Ehrlichkeit zu unterschreiben. Dennoch nickte ich stumm. Immerhin verdankte ich ihr mein Leben.
»Nun gut, dann möchte ich dich für heute entlassen«, sagte Breanor und erhob sich aus dem Sessel. »Castios möchte noch mit dir sprechen, und du bist des Redens sicherlich jetzt schon müde.«
Allerdings. Ohne mir meinen Unmut anmerken zu lassen, stand ich ebenfalls auf und reichte Vater zum Abschied die Hand, wie immer eine unterkühlte und leidenschaftslose Geste.
Tatsächlich rief man mich noch am selben Abend zum König, damit ich ihm in allen Einzelheiten von meinen Erlebnissen in Denfolk berichten konnte. Mir waren die wenigen persönlichen Zusammenkünfte mit ihm stets unangenehm gewesen, und das nicht nur, weil sich in seinem Audienzzimmer buntes Porzellangeschirr bis unter die Decke stapelte, sondern auch, weil er mir immer das Gefühl gab, nur ein winziges Glied in einer Kette aus Untergebenen zu sein. Castios hatte die seltsame Angewohnheit, einem zwar freundlich, aber bestimmt die eigene Bedeutungslosigkeit zu verstehen zu geben. Er sagte es einem selbstverständlich nicht ins Gesicht, aber die Art, wie er sich bewegte, die Worte, die er wählte, oder die Blicke, mit denen er einen ansah, ließen keinen Zweifel über sein Desinteresse offen. Flüchtig streifte mich eine Erinnerung. Vor meinem geistigen Auge sah ich den Leichnam des Thronfolgers während des Angriffs auf den Palast wieder vor mir. Das klirrende Geräusch des berstenden Spiegels und Castios’ Wehklagen über dessen Verlust hallten in meinem Gedächtnis wider. Ob der König sogar seinen eigenen Söhnen so wenig Anerkennung entgegengebracht hatte? Ich drängte meine düsteren Gedanken in den Hintergrund und konzentrierte mich auf die Berichterstattung.
Als ich dachte, Castios würde mich endlich entlassen, setzte er zu einer langen Rede an. Ich zwang mich, ihm zuzuhören, auch wenn es mir schwerfiel, ehrliches Interesse für seine schwungvollen Dankesbekundungen aufzubringen – die mir, nebenbei bemerkt, emotionslos und auswendig gelernt vorkamen. Ich dachte wieder an die Worte von Ylenia, nach denen ich mir die nette Fassade eines pflichtgetreuen Soldaten errichtet hatte, womit ich mich jedoch am allermeisten selbst betrog. Die Erkenntnis, dass in ihren Vermutungen mehr Wahrheit steckte, als ich vor mir selbst zugeben wollte, schmeckte bitter. Ich war keinen Deut besser als Castios.
Der König endete mit den Worten, er wolle mir ein Abzeichen für besondere Verdienste verleihen. Meine Gedanken waren längst abgeschweift, doch die Worte Abzeichen und Willkommensfest rissen mich in die Realität zurück. Ich rang mir ein gequältes Lächeln ab und beteuerte, es sei meine Pflicht als Soldat gewesen. Sogar in meinen Ohren klangen die Worte hohl und heuchlerisch, aber der König nickte zufrieden. Ich konnte mich des Gefühls nicht erwehren, dass er in Wahrheit stolz auf sich selbst war, weil er auf die geniale Idee gekommen war, mir einen Sonderplatz in der Liga einzuräumen. Das schlechte Gewissen nagte an mir. Es stand mir weder zu, schlecht über den König zu denken, noch war ich ein weiteres Ehrenabzeichen wert. Ich wollte stets perfekt sein, scheiterte jedoch kläglich an dem Versuch.
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