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Fyn - Erben des Lichts

Fyn - Erben des Lichts

Titel: Fyn - Erben des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Kühnemann
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ich liebend gern zur Grenze marschiert. Wochenlang hatte ich mit der Waffe trainiert und meine Fertigkeiten perfektioniert. Ich hasste es, Aufgaben aufgetragen zu bekommen, die mich unterforderten. Auch das schöne neue Ehrenabzeichen an meiner Uniform trug wenig zu meiner Zufriedenheit bei.
    Die Enttäuschung in Vaters Stimme versetzte mir den altbekannten Hieb, den ich wie ein geprügelter Hund kommentarlos über mich ergehen ließ. Breanor deutete meine Rebellion als persönlichen Angriff gegen ihn, weshalb er mit einer Waffe auf mich einschlug, von der er wusste, dass sie mich von jeher am meisten verletzte: Er meckerte an mir herum und hielt mir meine Nachlässigkeit vor Augen. Vermutlich kann sich jemand, der aus einer intakten Familie stammt, nicht vorstellen, wie sehr es einen von Selbstzweifeln geplagten emotionalen Krüppel demütigte, wenn man ihm seine Fehler unter die Nase rieb. Vater sagte, der König hielte noch immer viel von mir, er spreche beinahe jeden Tag über meine Heldentat beim Angriff auf den Palast im Sommer. Ich sollte ihn gefälligst nicht enttäuschen. Auf meine Frage hin, was ich denn tun könnte, um seinen Eindruck Lügen zu strafen, riet er mir, mich meinen Studien zu widmen. Er sehe ein, dass der Winter uns alle zur Trägheit verdammte, aber gerade dies sei die beste Zeit, meine technischen Fertigkeiten zu schleifen. Er wollte die Jahre meiner Ausbildung nicht verschwendet wissen. Ich könnte gleich damit anfangen, die große Standuhr im Thronsaal zu reparieren. Das sei gewiss keine anspruchsvolle Aufgabe, aber ich müsste auch abseits von Arc meine Fingerfertigkeit beweisen, wenn ich ein erfolgreicher Ingenieur werden wollte. Bevor er die Tür hinter sich zuknallte, fügte er an, ich sollte mich gefälligst von der Küche fernhalten, wenn ich in den Palast ging.
    Das hatte gesessen.
    Er ließ mich mit meinem Selbsthass allein zurück. Ich beschloss, mir viel Zeit zu lassen, bevor ich mich auf den Weg zum Palast machen würde. Es war das Verhalten eines trotzigen Kindes, doch ich vermochte meine Bockigkeit nicht zu unterdrücken. Zunächst sortierte ich in aller Ruhe meinen Werkzeugkasten. Als mir das scharfe Allzweckmesser in die Hände fiel, konnte ich nicht umhin, mir einen schönen langen Schnitt in den Unterarm zuzufügen. Bewusst langsam ließ ich die Spitze der Klinge über meine Haut kratzen. Der Anblick des kleinen, warmen Blutstropfens, der an meinem Handgelenk hinunterrann und auf den Boden fiel, verschaffte mir Genugtuung. Der Schmerz tat gut, ich musste den Impuls unterdrücken, tiefer zu schneiden und mir ernsthafte Verletzungen zuzufügen. Anspannung und Druck fielen für den Moment von mir ab, aber die Erleichterung währte nur kurz. Als ich den Arm abwischte und das Messer zurück in die Kiste legte, machte sich bereits das schlechte Gewissen in mir breit. Ich seufzte, schüttelte meinen Verdruss ab und machte mich auf den Weg zum Palast. Bewusst verzichtete ich darauf, einen dicken Mantel überzustreifen, denn ich wollte die Kälte wie tausend Nadeln auf meiner Haut spüren. Ich spannte die Muskeln an und unterdrückte das Zittern, als ich ins Freie trat. Der Weg zum Palast war kurz, dennoch hatte ich den Winter nicht so unbarmherzig in Erinnerung behalten, als ich das letzte Mal draußen gewesen war. Festen Schrittes und mit einer gehörigen Portion Wut im Bauch betrat ich den Palast, dessen Außenmauern inzwischen wieder vollständig instand gesetzt waren. Lediglich der kleine Unterschied in der Farbe der Steine zeugte noch von dem riesigen Loch, das einst neben der Tür geklafft hatte.
    Ich betrat den Flur, meine unbehandschuhten Hände waren bereits bläulich verfärbt und gefühllos. Ich spürte kaum den Griff des Werkzeugkastens, um den sich meine Finger schlangen.
    Die große Halle, die zu Zeiten, in denen keine Festivitäten anstanden, als Thronsaal fungierte, lag leer und verwaist vor mir. Ich hatte lange vermieden, sie zu betreten, denn schmerzhafte Erinnerungen schossen mir jedes Mal wie ein Pfeil durch den Leib, wenn ich meinen Blick über den Marmorboden schweifen ließ. Zwar hatte man alle Blutspuren vollständig entfernt, doch in meinem Gedächtnis blieb das Grauen lebendig. Ein Schauder lief mir über den Rücken. Die Halle wirkte seltsam verändert, seit der große hässliche Spiegel sie nicht mehr zierte. Man hatte mir erzählt, winzige Glassplitter wären noch Tage nach dem Angriff im ganzen Palast verteilt gefunden worden. Einige Palastbewohner

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