Fynia - wo die Schafe sterben gehen (Fantasy-Roman) (German Edition)
wie jeder hier in der Gegend. Und doch, die Linien unseres Clans haben sich bis heute gehalten.
Wir sind eigentlich ziemlich gut integriert, wie man so schön sagt. Keiner würde auf die Idee kommen uns für Ausländer oder Migranten zu halten. Aber wenn wir uns für unsere uralten Rituale treffen, dann sind wir Fremde in diesem Land.
Wir werden nicht ausgegrenzt oder sowas. Nicht mal mehr schief angeschaut, wenn wir komisches Zeug von Sternen und Monden faseln. Aber in dieser gottfernen Gesellschaft der Moderne, in dieser Gesellschaft fast ohne einen richtigen Glauben oder wenn sie doch glauben oft mit diesen religiösen Fanatikern… das war noch nie etwas für mich. Unser Clan ist da anders, von Grund auf…
Aber über unseren Glauben und unsere Rituale und deren Platz in der modernen Welt lässt sich streiten und ja, genau das tun sie auch, die hochgebildeten Menschen dieses Landes.
Die einen halten uns für Lügner, einige für verrückt, andere für primitiv, aber die Mehrzahl sieht uns als normale Menschen mit einer gewöhnungsbedürftigen Schrulle.
Religion wird eh von vielen nur noch als so eine Art Schrulle angesehen… Natürlich, es gibt auch bei uns Aussteiger. Sie beteiligen sich nicht an den Ritualen, aber das müssen sie auch nicht. Sie haben ihre Gabe bereits verloren.
Ich bin mir nicht sicher, ob sie nicht mehr glauben können, weil sie ihre Gabe verloren haben oder ob sie keine Gabe mehr haben, weil sie nicht mehr glauben können… Naja auch ein leidiges Streitthema. Ich jedenfalls habe die Familiengabe noch.
Vielleicht wäre es noch sinnvoll zu erwähnen, dass wir einer der wenigen Völker waren, die seit Urzeiten ein Matriarchat hatten. Im Klartext heißt das, dass die Männer in die Familien der Frauen einheirateten und dass auch die Gabe der Frau auf die Kinder überging.
Aber weil es hier in diesem Land ganz anders geregelt war, als meine Vorfahren hier ankamen, mussten wir uns anpassen. Die Gabe wird zwar immer noch von den Müttern an die Kinder gegeben, aber mittlerweile ist es auch bei uns Standard, dass wir den Namen unseres Vaters tragen. So sind die Originallinien unseres Clans äußerlich verwischt.
Wie gut wir integriert sind, zeigt auch meine kleine Luna. Kirk, Lunas Freund, kommt nämlich nicht aus unserem Clan.
Ich war da ja schon immer etwas… naja altmodischer. Jasper kommt aus dem Clan, jedoch hat seine Familie schon vor langem ihre Gabe verloren.
Aber nun zurück zu mir. Ich setzte unsere Gabe an diesem Abend das erste Mal seit einer gefühlten Ewigkeit wieder ein. Um auf eine spirituelle Reise zu gehen, gab es nichts besseres als zu seinen Wurzel zurück zu kehren.
Ich sah bei diesen Gedanken zu Jasper, der friedlich auf seiner Matratze schlummerte. Er hatte einen sehr tiefen schlaf.
Mein Blick streifte den Spiegel in meinem alten Zimmer.
Für einen kurzen Moment blieb ich an ihm hängen. Außer, dass ich mich, wenn ich wollte, in einen Wolf verwandeln konnte, war an mir nichts besonders. Ich hatte eine normale Körpergröße und war nicht zu dünn, naja eigentlich hatte ich sogar eine oder zwei kleine Speckröllchen unter meinem Pullover zu verstecken. Mein braunes Haar fiel in einigen Wellen über meine Schulter, obwohl ich es gerne mit einem Halstuch oder einem Stirnband nach hinten band.
Jasper betonte immer wieder, ich habe schöne Augen. Sie sind komisch braun mit ein paar grünen Stellen. Das sind die Augen meiner Mutter. Luna dagegen hat haselnussbraune Augen, um die ich sie manchmal beneidete. Außerdem hatte sie das dunklere Haar unseres Vaters geerbt. Mehr äußere Unterschiede gab es jedoch nicht bei uns. Wie eineiige Zwillinge mit Ausnahme dieser zwei Details. Wir hatten sogar an exakt den gleichen Stellen Muttermale…
Aber nun musste ich wirklich aufbrechen.
Ich verließ auf leisen Sohlen mein altes Zimmer, doch im Flur angekommen, wusste ich nicht wohin. Ich beschloss in das Badezimmer zu gehen, dort konnte ich mich einschließen und unbemerkt verwandeln. Sollte doch jemand kommen, war ich halt kurz pinkeln gegangen.
Ich schloss meine Augen und begann ein rituelles Mantra zu sprechen. Das half mir bei der Konzentration. Da ich es schon so lange nicht mehr gemacht hatte, dauerte es eine Weile, bis ich meine Wolfsgestalt in mir fand. Sie bäumte sich ungestüm in mir auf und sprang mir förmlich entgegen, als ich sie endlich entdeckt hatte.
Ich hatte keine Schmerzen dabei, aber es war ein unangenehmes Gefühl, da ich das nicht so häufig
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