Fynia - wo die Schafe sterben gehen (Fantasy-Roman) (German Edition)
Freund dazu sagen? Wir waren doch eine eingeschworene Gemeinschaft… Würde Luna mich verstehen? Mit ihr könnte ich darüber reden, sie könnte mich stützen… Wenn sie doch nur da wäre! Wenn doch nur irgendjemand da wäre, dem ich mich anvertrauen könnte, irgendjemand, der nicht in Rätsel sprach und meine Emotionen ernst nahm.
Ich beschloss trotzdem zu Zweiundsiebzig zu gehen, außer ihr hatte ich grade keinen. Niemanden mit dem ich das Geheimnis teilen konnte, das mich zu zerfressen begann…
Kapitel 12:
Gewittersturm No. 1
Frühjahr 2012
Sich mit dem alten Schaf zu treffen war eigentlich nicht das, was ich jetzt brauchte, aber es war die einzige Möglichkeit, die ich hatte.
Wenn das Schicksal war, dann wollte ich nicht mehr daran glauben. Wenn es das ist, was die Welt zusammenhält, dann wollte ich lieber vergehen, als noch länger diesen Qualen ausgesetzt zu sein.
Ich dachte so bei mir, dass das ganz schön hart klang, immerhin hatte nur mein Freund Schluss gemacht. Das passierte alle paar Tage irgendwo auf der Welt und trotzdem lief das Leben weiter. Man versöhnte sich mit der Situation und irgendwann konnte man darüber lachen. Mir war aber so gar nicht nach Lachen zumute und ich konnte auch nicht glauben, dass es mir einmal besser gehen würde. Ich war mir sicher, dass ich einsam sterben würde, mit meinen Gedanken voller Zorn auf die Welt und das Schicksal, weil es mir Jasper entrissen hatte.
Ich merkte gar nicht, wie ich schon seit einigen Minuten vor Zweiundsiebzigs Unterschlupf stand und das alte Schaf mich anstarrte. Als mir klar wurde, wie seltsam ich mich verhielt, grüßte ich sie beiläufig und ließ mich neben ihr ins Stroh fallen.
Ich wollte nicht reden und doch wollte ich alles aus mir heraus lassen, was in mir kochte und brodelte. Ich schwieg und Zweiundsiebzig akzeptierte das.
Ob sie wohl merkte, was in mir vorging? Oder waren das zu primitive Gefühlsregungen für diese hoch entwickelte Lebensform? Dachte ich böse.
Ich blickte zu dem Schaf und das Schaf blickte zu mir. Für einen Außenstehenden sah es so aus, als würde das Schaf verträumt auf einem Strohhalm kauen, aber in Wirklichkeit spürte ich den durchdringenden Blick dieses Wesens tief in mein Innerstes vordringen. Ohne Rücksicht auf den Schmerz, der in mir wogte. Wahrscheinlich konnte sie wirklich meine Gedanken oder Gefühle sehen.
„Liebe ist neben Hass das reinste Gefühl, das es gibt.“, sagte das Schaf plötzlich unvermittelt. Ich sah sie eine Weile schweigend an.
„Was?“ Es war eine Qual überhaupt ein Wort auszusprechen.
„Liebe ist, neben Hass, das reinste Gefühl, dass es gibt.“, wiederholte Zweiundsiebzig langsam und sehr betont.
Als ich immer noch verständnislos dreinblickte, sprach das Schaf weiter: „Liebe ist so rein wie kristallklares Wasser, das aus einer jungfräulichen Bergquelle sprudelt. Gefiltert von Jahrtausende altem Gestein und angereichert mit einem Mineral, das lebensnotwendig ist.
Und Hass ist so rein wie die wunderbarste Höhle, die der Fluss, der auch Kiesel schleift, kraftvoll und stetig aus dem Gestein wäscht. Er funkelt in allen Farben und man kann sich in ihm verlieren.“ Das Schaf senkte den Kopf und suchte mit der Nase im Stroh nach etwas Essbarem. Sie wirkte dabei so unschuldig, wie ein Tier eben.
„Was willst du mir damit sagen?“, fragte ich. Das Sprechen fiel mir nun leichter.
Ihre Worte schienen alle Verzweiflung aus mir fortgetragen zu haben. Nein, nicht fortgetragen, nur weggeschoben, verschlossen, sodass mein Geist unbeschwerter sein konnte.
„Wenn zwei so mächtige Gegner gegeneinander kämpfen, kann es nur Verluste geben, weißt du das nicht?“ Sie klang, als hätte sie mir, einem erwachsenen Menschen, gerade erklären müssen, dass man mit Wasser Feuer löschen kann.
„Ähm, doch… eigentlich schon.“, stammelte ich.
„Warum lässt du dann den Krieg in deinem Innern zu?“, fragte Zweiundsiebzig mich wie beiläufig. Als fragte sie nach dem Wetter… Dieses Schaf war… Ich fand keine Worte für sie...
„Es zulassen?“, fragte ich verwirrt, „ich würde es ja beenden, wenn ich könnte.“
„Du kannst, aber du willst nicht. Das ist immer so. Die Menschen können so unglaublich viel. Viel mehr als sie sich zu glauben trauen.“ Sie unterbrach sich und begann damit in aller Seelenruhe ihren Hinterkopf an einem halb vermoderten Pfosten zu schrubben. Als sie fertig war, seufzte sie erleichtert auf.
„Hast du
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