Fynia - wo die Schafe sterben gehen (Fantasy-Roman) (German Edition)
innerlich bist du zerrissen, weist nicht, was du tun sollst.“
„Und was soll ich denn tun?“, fragte ich, aufrichtig an einer Antwort interessiert.
„Das kann ich dir nicht sagen, Kleiner.“ James Blick schien mich förmlich zu durchbohren. Er sah mich immer so an, mit diesem komischen Blick, den ich nicht deuten konnte.
„Aber, ich kann dir einen Rat geben. Diesen Rat habe ich, als ich noch ein Stückchen jünger war, selbst von einem weisen Mann bekommen.“ Er lächelte verschmitzt, „nicht, dass ich mich für weise halte…
Hör zu, du bist ein hübscher Bursche“ James stand wieder auf, „und ein kluges Köpfchen hast du auch“ Er streckte langsam eine Hand nach meinem Gesicht aus und berührte mich ganz vorsichtig, fast schon zärtlich am Kinn, „du hast fast dein ganzes bisheriges Leben mit Fynia verbracht, vielleicht…“ Es schien als würde er einen Moment die Luft anhalten, bis er seine Hand wieder sinken ließ, lächelte und kaum merklich ausatmete, „vielleicht solltest du andere Wege ausprobieren. Du bist jung und die Welt ist groß und vielfältig.“
Ich war angespannt. James war gruselig, er verhielt sich seltsam, aber er hatte recht.
„Soll ich sie einfach vergessen? Aber es tut so weh…“ Meine Stimme hörte sich ungewöhnlich dünn.
„Nein, nicht vergessen, aber neue Erfahrungen machen. Hör zu, das mit Fynia muss abkühlen. Im Moment ist das viel zu heiß, ihr würdet euch nur weiter die Finger verbrennen. Gib ihr und…“ Wieder machte er eine Pause und betrachtete mich sorgfältig, „und dir Zeit um Distanz zu dem, was geschehen ist, aufzubauen.“
James stand immer noch nur eine Armlänge von mir entfernt. So nahe waren wir uns noch nie gewesen. Und obwohl ich eigentlich dachte, ich würde ihn kennen, kam er mir nun wie ein Fremder vor.
„Vielleicht…“ Ich versuchte auszuweichen. Ich fühlte mich etwas unwohl, aber ich konnte nicht anders, als die Wahrheit in seinen Worten zu erkennen.
„Schlaf eine Nacht drüber, mein Großer. Morgen sieht die Welt wahrscheinlich etwas besser aus und dein Kopf ist klarer. Aber versprich mir, wenn du jetzt noch stundenlang grübelst und ich weiß, dass du das tun wirst“ Er lächelte wissend, „dann schließe das Ungewöhnliche oder Unmögliche nicht von vornherein aus. Manchmal eröffnen sich dort Wege, wo man sie nicht erwartet.“
Einen Moment lang sah er mich ungewöhnlich ernst an, als sei das sein ganz persönliches Anliegen an mich. Doch dann, binnen Sekunden, entspannten sich seine Gesichtszüge und der mir so bekannte, gutmütige Ausdruck war wieder zu erkennen.
„Ist gut, danke Jim.“ Ich ließ meinen Blick sinken, konnte aber ein dankbares Lächeln nicht unterdrücken, als ich eine Hand auf meiner linken Schulter spürte.
James hatte recht, ich grübelte und grübelte, bis ich durch das Rollo schon die morgendliche Sonne blitzen sah. Ich war müde, konnte aber nicht schlafen. Immer wieder jagte Fynia durch meine Gedanken. Wie sie ausgesehen hatte, als sie vor mir stand. Wie sie mich vollgespritzt hatte und eiskalt abgehauen ist, als ich so verwundbar vor ihr saß.
Ich schwankte zwischen unbändiger Wut und grenzenlosen Verständnis. Ich hätte… nein ich habe ja genau so reagiert wie sie. Konnte ich ihr deswegen böse sein? Aber waren es nicht zwei völlig verschiedene Situationen? Sie hatte mich betrogen, hinter meinem Rücken mit diesem Bübchen angebandelt und ich hatte mich von ihr getrennt und bin mit einer Frau in eine Bar gegangen.
Hatte sie überhaupt das Recht zu solch einer Reaktion? War mein Mitleid für sie überhaupt gerechtfertigt?
Mein Kopf schien explodieren zu wollen, immer dieser Kreislauf von Schuld, Selbstvorwürfen und diesem unglaublichen Zorn eines Betrogenen. Doch dann kamen mir James Worte wieder in den Sinn. Was hatte er nur gemeint?
Wie ein schallender Donner durchbrach er den seit Stunden rotierenden Teufelskreis in meinem Innern. Das Unmögliche in Betracht ziehen? Er war so seltsam gewesen. Sollte ich Fynia einfach vergeben? Das schien unmöglich. Konnte sie mir vergeben? Auch das schien unmöglich. Sollte ich weggehen und mir jemand Neuen suchen? Auch das kam eigentlich gar nicht in Frage. Was meinte er nur, offen sein für andere Wege? Wege, die mir jetzt gar nicht in den Sinn kommen? Was sollte das schon sein?
Liebe war beschissen, so viel war mir jetzt jedenfalls klar.
Ich drehte mich im Bett herum, damit das grelle Licht nicht in meine Augen stach.
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