Fyrgar - Volk Des Feuers
Stufe.«
»Es gibt keine Fünfte Stufe.«
»Aber ist sie nicht das Ideal? Das höchste Ziel?« Efrynns schillernde Augen waren groß und tief wie ein Bergsee, in dem ein Regenbogen versank.
»Das ist wohl wahr«, gab Aldavinur zu. »Aber vielleicht gipfelt alles in dir, Junge. Dann stehst du auf der Fünften Stufe, die keiner von uns erreichen kann.«
»Und was wird dann geschehen?«, flüsterte Efrynn. »Werde ich zu einem Gott?«
»Wenn es Vollkommenheit bedeutet - mindestens.«
»Götter sind nicht vollkommen?«
»Nein. Vollkommenheit richtet sich nicht nach Macht. Sie ... ist etwas ganz anderes.« Er näherte sein Gesicht dem des jungen Fyrgar, und seine feinen Tasthaare berührten die Schuppen, strichen wie ein lauer Frühlingswind darüber. »Das herauszufinden, wird dein Weg sein.« Er wich zurück und richtete sich auf. »Ich werde dich begleiten, so weit es möglich ist, und dich beschützen, damit niemand dich davon abbringen kann.«
Tiefer Ernst lag auf dem jungen Gesicht. »Du bist besorgt, nicht wahr? Schon seit einiger Zeit, das blieb mir nicht verborgen.«
»Die Zusammenhänge erschließen sich mir noch nicht, Efrynn. Aber irgendetwas geht vor sich, das ist unabweisbar.« Aldavinurs Miene verdüsterte sich. »Eine große Veränderung.«
Aldavinur hoffte, dass der Regen sich zurückhalten würde, bis er wieder bei der Höhle angekommen war. Ein Guss am Tag reichte ihm völlig aus, und er schüttelte unwillkürlich eine Pranke, als wäre er in eine Pfütze getreten. Der späte Nachmittag umhüllte ihn mit trübem Licht und kühlem Wind, der träge über sein seidiges Fell glitt.
Der Weg führte von der Höhle aus nordostwärts, über weite Hänge hinauf und durch einen Passdurchgang zu den Lieblichen Höhen. Aldavinur lief im gestreckten Galopp, seine Ohren bewegten sich lebhaft, doch seine Augen blieben nach vorn gerichtet. Er hatte jetzt kein Ohr für die Schönlippenhirsche, deren trillernde Rufe verlockend von den Westhängen her erklangen, und kein Auge für die Blauseidenziegen, die am linken Berghang munter auf und ab sprangen und krachend die großen gebogenen Hörner zusammenstießen. Kein Zweifel, dass sie ihn alle bemerkten, auch die kreisenden Greifvögel dort oben, die nur in Gruppen jagenden Stachelfalken, deren grünweißes Gefieder vor dem grauen Himmel leuchtete. Sie pfiffen laut eine abwehrende Melodie, ihnen nicht die Beute wegzuschnappen.
Nichts gab es in diesem Teil der Berge, keine Tiere, ja nicht einmal Pflanzen, die den blauschwarzen Glanz des geschmeidigen Katzenkörpers nicht kannten und die nicht erzitterten, sobald sein donnernder Jagdruf erscholl.
Wohin er auch ging, sie beobachteten ihn. Selbst jetzt, da sie von der Brunft erhitzt waren, schweiften ihre Blicke immer wieder zu ihm, während er den Blàdr hinauflief, den bläulich kühlen Hang, der niemals ein Geräusch von sich gab, so verschlossen war er. Und auch jetzt glitten Aldavinurs Samtpfoten geräuschlos über das eisige Gestein hinweg.
Nordwärts, über den Hang einer schmalen Bergkette hinausragend, lag der Adfall, der zu ewigem Eis erstarrte riesige Wasserfall, der direkt aus dem Wolkenhimmelreich Adlangur herabgesandt zu sein schien, der letzten Barriere zwischen dem höchsten Gipfel der Welt, dem Wolkenreiter, und der Weltensphäre kurz vor den Außenlanden, in der die Götter und Dämoninnen wohnten.
Direkt vor Aldavinur lag nun der Passdurchgang zu den Lieblichen Höhen, und er verharrte kurz und erwies dem Adfall seine Ehrerbietung. Der Wolkenreiter lag hinter den Wolken verborgen, seit Tagen schon, und Aldavinur verspürte einen kurzen Stich im Herzen. Normalerweise begann und beendete er sein Tagwerk mit einer Verbeugung vor dem riesigen Gipfel im ewigen Eis, das im Sonnenlicht in Flammen aufbrandete, den ganzen Tag grellblau loderte, bis es am Abend in kühlem Violett zur Ruhe ging. Der Lehrmeister vermisste den Anblick des Berges schmerzlich; es gab nichts, was ihm mehr bedeutete, ja, nicht einmal Efrynn. Dass der Wolkenreiter sich seinen Blicken entzog, war von Bedeutung und erklärte zum Teil Aldavinurs düstere Stimmung.
Was ist das nur?, dachte er. Bin ich es, o Berg, vor dem du dein Antlitz verhüllen willst? Habe ich erneut versagt? Oder tust du es, um dich vor dem Leid zu schützen, das über dieses Land oder gar die Welt kommen mag?
Noch einmal verneigte er sich, dann durchschritt er den engen Einschnitt zwischen den beiden Bergen und fühlte sich bei dem Anblick der anderen
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