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Gabe der Jungfrau

Gabe der Jungfrau

Titel: Gabe der Jungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Zinßmeister
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und dunkler gewesen. Seine Fingerspitzen durchkämmten das Fell. als Veit die Narbe nicht finden konnte, atmete er auf. Der Pelz gehörte zu keinem seiner Wölfe. Trotzdem ging er angespannt hin und her.
    ›Ich muss herausfinden, ob die Welpen mir gefolgt sind‹, entschied er und eilte über den Burghof.

    Als die Nacht sich über die Burg legte und alles in Dunkel tauchte, glaubte anna Maria in der Ferne einen Wolf heulen zu hören. Erschrocken setzte sie sich auf und lauschte. Wieder durchdrang ein langgezogener Heulton die Stille – zwar nur schwach, aber sie war sicher, dass es ein Wolf war. Hastig zog sie sich Kleid und Schuhe über und hoffte, dass der dunkle Pilgerumhang sie in der Nacht unsichtbar machen würde.
    Anna Maria verließ ihre Kammer und ging leise die Treppe hinauf. Vorsichtig öffnete sie die Tür zu Johanns Gemach und lauschte. Sein lautes Schnarchen übertönte jedes Geräusch. auch Gerhild stieß leise pfeifend den atem aus und schien fest zu schlafen.
    Zufrieden schloss anna Maria die Tür und schlich auf leisen
Sohlen den Gang entlang. Eilig huschte sie die Treppe hinunter und überquerte den Burghof. an der zerschossenen Mauer spähte anna Maria in die Dunkelheit, doch es war nichts zu erkennen. angestrengt lauschte sie, ob sie den Wolf erneut hören würde. Doch nur gespenstische Stille umgab sie. Plötzlich zuckte sie zusammen, denn sie glaubte einen Schatten zu erkennen, der sich auf die Burg zubewegte.
    Da sie sich in Sicherheit wähnte, lehnte sie sich neugierig über die Mauer. Hin und her huschte der Schatten und war dann verschwunden. angespannt lief anna Maria die Mauer entlang bis zum Wachturm. Nichts war zu sehen. Enttäuscht drehte sie sich um, als sie erschrocken die Hand auf den Mund presste, um nicht laut aufzuschreien.
    Veit stand hinter ihr.
    Mit gedämpfter Stimme flüsterte sie zornig: »Müsst Ihr mich so erschrecken? Wo kommt Ihr her?«
    Ohne zu antworten umfasste Veit ihr Handgelenk und zog sie zur überdachten Wehrplattform, wo sie vor einigen Tagen gestanden hatten. als sie etwas sagen wollte, bedeutete er ihr zu schweigen. In diesem augenblick kam Michel, der Wolfsjäger, auf den Hof, stieg auf die Mauer und erleichterte sich in den Burggraben. anschließend verschwand er gähnend wieder in der Burg.
    Anna Maria wandte sich Veit zu und fauchte ihn an: »Was soll das? Warum zerrt Ihr mich hier herauf?«
    Müde setzte Veit sich auf die Holzplanken und sagte mit trauriger Stimme: »Sie sind mir gefolgt!«
    »Wer?«, fragte anna Maria und wusste im selben augenblick die antwort. »O nein! Nicht die Wolfsjungen! Dann waren sie es, die ich heulen gehört habe?«
    »Nein, das war ich, als ich sie gerufen habe.«
    »Sind sie gekommen?«
    Er schüttelte den Kopf. »Sie haben sich sicherlich nicht getraut, denn ich rieche nach Mensch, und den fürchten sie.«

    »Woher wisst Ihr dann, dass sie hier sind?«, fragte anna Maria und setzte sich zu ihm auf den Boden.
    »Ich habe einige Spuren im Schnee gesehen. außerdem …« Veit hielt einen Moment inne, dann erzählte er anna Maria von dem Zwischenfall mit dem Wolfsjäger. Nachdem er geendet hatte, sah er sie forschend an. als Hans’ Namen fiel, konnte Veit tiefe Verachtung in anna Marias augen ablesen. Sprach er hingegen von den Wölfen, wandelte sich ihr Blick, und ihre augen glänzten freundlich.
     
    Als Veit wenige augenblicke zuvor anna Maria vor dem Wachturm erspäht hatte, hatte ihn das für einen Moment von seiner angst um die Wölfe abgelenkt. am liebsten hätte er sie in den arm genommen und seinen Kopf an ihre Schulter gelehnt. Ihm war mit einem Mal klar geworden, dass anna Maria der einzige Mensch war, mit dem er über seine Sorgen sprechen konnte. Dass sie der einzige Mensch war, der ihn verstehen würde.
     
    Anna Marias zog den Pilgerumhang dichter um sich. Veit wäre gerne näher zu ihr herangerückt, stattdessen sagte er: »Ich muss die Wölfe von hier fortlocken.«
    »Zurück in die Schlucht?«
    »Nein, die Wolfsjäger würden uns dort finden. Ich werde sie an einen anderen Ort führen.« Er zögerte einen augenblick, dann fuhr er fort: »Ich habe beschlossen, Euch bei der Suche nach Euren Brüdern zu helfen, und die Wölfe werden uns begleiten.«
    Anna Maria starrte ihn an. Dann fiel sie ihm um den Hals. Sie drängte sich schluchzend an ihn. Zögerlich umschlossen seine arme sie.
    Veit sog den Duft der jungen Frau ein. Gefühle, wie er sie noch nie zuvor gespürt hatte, brachen wie ein Sturm über

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