Gabe der Jungfrau
mit Seife gewaschen hatte, spülte es eine der jungen Frauen mit klarem Wasser aus.
In dem Moment erblickte die Köchin hinter einem Fenster Karius, wie er die Frauen beobachtete. als er trotz Schelte nicht verschwand, verpasste Gerhild ihm eine Ohrfeige, die ihn aufheulen ließ.
Endlich war es so weit! Die Burgbewohner stapften durch den tiefen Schnee in die Kirche nach Landstuhl, um die Geburt Christi zu feiern. aufgeregt liefen die Kinder voraus, denn sie freuten sich auf das Krippenspiel, das alljährlich in der Kirche aufgeführt wurde.
Sogar der verletzte Hans wollte die aufführung nicht verpassen und ließ sich zwischen Karius und Michel den Weg hinunter ins Tal führen.
Täuber gesellte sich an anna Marias Seite. als sie auszurutschen drohte, umfasste er ihre Taille und hob sie lachend hoch. Veit, der hinter den beiden ging, zuckte zusammen, als ob ihm jemand einen Schlag verpasst hätte.
Gerhild beobachtete anna Maria, Täuber und Veit schon seit Tagen. Vergeblich versuchte sie, Johann ihre Beobachtungen mitzuteilen, doch der war in ein Gespräch mit der Köchin vertieft, die ihm in allen Einzelheiten das Weihnachtsessen beschrieb.
Von der Hofmauer von Burg Nanstein hatte anna Maria auf die Sankt-andreas-Kirche hinabblicken können, deren Turm ein Teil der Stadtbefestigung war. Nun stand sie zum ersten Mal vor dem Gotteshaus.
Anna Maria war dankbar, dass sie am Heiligen abend die Kirche besuchen konnte, um für das Wohl ihrer Familie zu beten. Mit ernster Miene schritt sie mit den übrigen Burgbewohnern durch das Portal, das ebenso wie das Innere der Kirche mit Tannenzweigen geschmückt war.
Die Leute verstummten, als Johann mit den Seinen durch den Mittelgang schritt. Die meisten Bewohner von Landstuhl kannten den Landsknecht noch aus der Zeit, als er Franz von Sickingen diente. Einige nickten zum Gruße, und auch das Weib neben ihm wurde begrüßt. Gerhild ging stolz an Johanns Seite, als sei sie von adel, obgleich ihre Kleidung eher schlicht war.
Als Veit an den Bankreihen der jungen Frauen entlangging, wurde hinter seinem Rücken getuschelt und gekichert. anna Maria sah die begehrlichen Blicke, die sie Veit hinterherschickten. als sie bemerkte, wie er einer jungen Frau zuzwinkerte, funkelte anna Maria diese wütend an.
Als alle auf ihren Plätzen saßen, begann das Krippenspiel. anna Maria konnte der aufführung kaum folgen, denn ihr Blick verharrte
auf Veit, der in der Bank vor ihr saß. Seine breiten Schultern, das glänzende Haar, seine Bewegungen, wenn er sich eine Strähne zurückstrich – all das lenkte sie ab. Gedanken, die allesamt mit ihm zu tu hatten, schwirrten ihr durch den Kopf, und manche trieben ihr Schamröte ins Gesicht. Sie bat Gott um Vergebung, und zugleich betete sie, dass er sie bei der Suche nach ihren Brüdern leiten würde.
Als das Lied »Maria durch ein’ Dornwald ging« das Ende der Messe ankündigte, atmete anna Maria erleichtert auf. Im Hinausgehen wünschten die Kirchgänger sich gegenseitig frohe Weihnachten und gingen dann in unterschiedliche Richtungen davon.
Wieder rannten die Kinder vorneweg den Berg hinauf, da sie sich nun auf das Festessen und die Süßigkeiten freuten, die es geben würde. auf halben Weg summte anna Maria die Melodie des letzten Weihnachtsliedes, und die Frauen stimmten ein. Mit glockenheller Stimme sang sie den Text.
Maria durch ein’ Dornwald ging.
Kyrieleison!
Der hatte in sieben Jahrn kein Laub getragen!
Jesus und Maria.
Als anna Maria alle Strophen gesungen hatte, blieben die meisten Burgbewohner stehen und klatschten erfreut.
»Du musst öfter für uns singen!«, rief die Köchin begeistert.
Als anna Maria Veit anschaute, bedachte er sie mit einem sonderbaren Blick.
Im Großen Saal bogen sich die Tischbretter unter der Last der Speisen. Platten mit Schweinebraten und gedünstetem Karpfen standen auf dem Tisch. Gefüllte Pasteten, duftendes Brot, gedämpftes Gemüse und süße und würzige Kräuterküchlein
ließen die Menschen nach dem Ende der adventlichen Fastenzeit ordentlich zugreifen.
Man prostete sich mit Starkbier zu, und die Kinder stopften sich die Münder mit in Fett ausgebackenen Teigkringeln und mit in Honig eingelegten apfelscheiben voll. Nüsse sowie selbstgestrickte Strümpfe gehörten zu den Weihnachtsgaben. Mit roten Wangen und leuchtenden augen saßen die Kinder auf dem Boden und leckten sich die klebrigen Finger.
Trotz der ausgelassenen Stimmung wurde anna Maria wehmütig. Es
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