Gabe der Jungfrau
du dich nicht mehr hinsetzen kannst«, versprach anna Maria Matthias, der sie nun gespielt zerknirscht ansah. Doch sie ging nicht weiter darauf ein, denn andere Gedanken plagten sie. Nach der heftigen auseinandersetzung mit Jakob war nun ein denkbar ungünstiger Moment, um mit ihren Eltern über ihr Vorhaben, ins Kloster einzutreten, zu sprechen. anna Maria seufzte. Das würde sie wohl oder übel verschieben müssen.
Bereits am nächsten Tag nahm anna Maria all ihren Mut zusammen. als sie am Morgen mit ihren Eltern in der Küche beim Frühmahl saß, erklärte sie trotzig: »Ich möchte singen und malen, ohne dass ich mich dabei schlecht fühlen muss oder gescholten
werde. Deshalb möchte ich in ein Kloster eintreten!« In ihren augen lag ein unnachgiebiger Blick, der abwechselnd vom Vater zur Mutter wanderte. Unheilverkündende Stille breitete sich in der Küche aus, bis Hofmeister mit der Faust auf den Tisch hieb und schrie: »Sag nicht, dass diese Teufelsbilder im Steinbruch von dir stammen!«
Anna Maria nickte zaghaft, und ihre Mutter sah sie entgeistert an. Wieder schlug Hofmeister auf die Tischplatte, dass die Frauen zusammenzuckten.
»Das hätte ich mir denken können, dass dies dein Werk ist!«, brüllte er wütend. »Keiner der Buben ist zu solch einer Schmiererei fähig.«
Hofmeister fiel es schwer, an sich zu halten. Zornig rief er: »Von Klöstern steht nichts in der Bibel. Die angeblichen guten Taten, mit denen sich die Nonnen immer rühmen, sind nichts wert. Ebenso wie singen und malen. Das ist alles fauler Zauber! Nur der Glaube an die Bibel, vermittelt durch die Gnade Gottes, zählt.« Damit wollte er das Thema beenden, doch anna Maria wäre nicht die Tochter ihres Vaters gewesen, hätte sie das einfach hingenommen. Sie hatte sich gut eingeprägt, was die Ordensschwester ihr am Vortag erzählt hatte, und so entgegnete sie vorlaut: »Die Klostertradition ist vielleicht nicht biblisch, aber sie ist sehr alt. Glaube ohne Werke ist fruchtlos. Nonnen tun mit ihrem enthaltsamen Leben doch Buße für die Sünden der Welt.«
Als sich das Gesicht der Mutter rot verfärbte und der Vater die augen verengte, wusste anna Maria, dass sie zu weit gegangen war.
»Niemand kann durch das, was er tut, Gott für andere beeinflussen. Diese verdammten Nonnen haben nur versucht, dir etwas einzureden. Stimmt’s? Wo bist du ihnen begegnet?«, brüllte Hofmeister. als anna Maria zu Boden blickte und schwieg, fuhr er fort: »Du kannst mir nicht weismachen, dass das auf deinem Mist gewachsen ist und du freiwillig den Dienst in einem Kloster
auf dich nehmen willst. Diesen Floh kann dir nur eine Nonne ins Ohr gesetzt haben. Und außerdem hat das Klosterleben nichts mit dem echten christlichen Leben zu tun. Selbst Luther hat erkannt, dass die Nonnen in den Klöstern oft unglücklich sind. Das Leben dort ist hart, und wenn du einmal in ein Kloster eingetreten bist, so kannst du es nie mehr verlassen. Warum also solltest du freiwillig in ein Gefängnis gehen wollen?«
»Nein, Vater, es ist nicht so, wie du denkst! Es ist meine Entscheidung vor Gott, einem Kloster beizutreten! Und überhaupt, was macht dich so sicher, dass Luthers Reden über die unglücklichen Ordensschwestern nicht nur dazu dienen, die Klöster aufzulösen, damit deren Besitz an den adel oder sogar an die Bauerndörfer fällt?«
»Das können unmöglich deine eigenen Worte sein!«, schrie Hofmeister. Schnell hatte er sich jedoch wieder gefasst, und seine Stimme war jetzt kalt: »Du wurdest geboren um zu heiraten, Kinder zu bekommen und dich einem Mann unterzuordnen. Jedes andere Leben ist falsch! Und deshalb werde ich auch schleunigst einen Ehemann für dich suchen. Das wird dir deine Hirngespinste austreiben, und du wirst gezwungen sein, den Platz im Leben einzunehmen, der dir zusteht. Es ist beschlossene Sache: Im nächsten Herbst wirst du heiraten!«
Damit verließ Hofmeister den Raum, und anna Maria konnte dem nichts mehr entgegensetzen. Ihre Unterlippe bebte, als sie hilflos ihre Mutter anblickte.
»Wage es nicht, mich so anzusehen. Das hast du dir selbst zuzuschreiben«, fuhr diese sie an, bevor sie kopfschüttelnd hinzufügte: »Wie kannst du nur auf solche Gedanken kommen?«
Anna Maria wurde von einem lauten Wortwechsel aus ihren Gedanken gerissen. Erschrocken stand sie auf und eilte nach draußen.
Veit stand mit gezücktem Schwert vor einem jungen Mann, der nicht älter als anna Maria zu sein schien.
»Was hast du hier zu suchen?«,
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