Gabe der Jungfrau
tief ins Gesicht und wickelte den Umhang fest um sich. Frierend presste sie sich dichter an den Stamm des Baumes und wünschte sich zurück in die schützende Höhle.
Anna Maria erwachte, als jemand unsanft gegen ihr Bein trat. Es dauerte einen Moment bis sie wusste, wo sie sich befand. Die Flammen waren erloschen, und nur noch wenig Glut glimmte in der Feuerstelle. als sie im Halbdunkel erkannte, dass jemand vor ihr hockte, begann ihr Herz zu rasen.
Erneut wurde ihr gegen das Bein getreten. Der Mann, der in der Hocke vor ihr saß, sagte mit lachenden augen: »Na, schönes Kind, so allein hier im dunklen Wald?«
Anna Maria erkannte, dass zwei weitere finstere Gesellen auf sie herabblickten. Erschrocken setzte sie sich auf und starrte den, der vor ihr kauerte, an. Er schlug ihre Kapuze zurück und fragte mit tiefer Stimme: »Hast wohl deine Sprache verloren, was?« Dann befahl er: »Michel, entzünde das Feuer, damit wir sie besser sehen können.«
Rasch brannte frisches Holz auf der Feuerstelle und erhellte
anna Marias Gestalt. auch sie konnte nun die Fremden deutlich erkennen.
»Was wollt ihr von mir?«, flüsterte sie mit heiserer Stimme. Die Männer sahen sich gegenseitig an und lachten voller Häme.
»Horch, was ich dir sage!«, sprach der Mann und stand auf. Seine Nase war so krumm wie der Schnabel eines Raubvogels. »Nicht du stellst die Fragen, sondern wir!« als anna Maria darauf nicht antwortete, blaffte er: »Hast du verstanden?« Vor Schreck zuckte sie zusammen und nickte.
»Das ist gut so!«, mischte sich der Jüngste der drei ein und lachte dümmlich. Über sein Gesicht verlief eine glänzende Narbe, und das augenlid hing halb über seinem rechten auge.
Der Bursche, der das Feuer entzündet hatte und auf den Namen Michel hörte, fragte den Krummnasigen: »Warum halten wir uns mit dem Weibsstück auf, Hans?«
»Horch, was ich dir sage! Ich bin der Älteste, und ich bestimme, was getan wird!« Eingeschüchtert blickte Michel daraufhin zu Boden.
»Dann ist das ja geklärt!«, lachte Hans und schlug Michel dabei so fest auf den Rücken, dass der zwei Schritte vorwärtsstolperte.
»Also, schönes Kind, was machst du so allein im Wald?«
»Schlafen, und ihr?«, fragte anna Maria aufmüpfig.
Der mit der krummen Nase zog sie an den Haaren in die Höhe, sodass sie laut aufschrie.
»Hüte deine Zunge, sonst könntest du sie verlieren. also, warum bist du allein unterwegs?«
Plötzlich war Wolfsgeheul zu hören, und der Mann ließ anna Maria los. Die Pferde der Männer, die einige Bäume entfernt angebunden waren, wieherten ängstlich.
»Er ist hier! Ich wusste es!«, sagte der Krummnasige, und seine augen begannen zu strahlen.
Anna Maria ahnte, wen der Mann meinte. Vorsichtig blickte sie sich um, ob sie den Wolfsmenschen zwischen den Bäumen entdecken konnte. Doch außer Dunkelheit war nichts zu sehen. ›Er ist fort‹, frohlockte sie in Gedanken. Wieder hörte man einen Wolf heulen.
»Er entfernt sich!«, sagte der mit der Narbe.
»Du Schwachkopf! Er ist ganz in unserer Nähe. Ich kann ihn riechen.«
Michel, der anna Maria nicht aus den augen gelassen hatte, schüttelte den Kopf und sagte schließlich: »Karius hat Recht, Hans! Du kannst nicht ihn , sondern sie riechen!«
Fragend richtete der Krummnasige zuerst seinen Blick auf Michel und dann auf anna Maria. Mit wenigen Schritten war er bei ihr. als seine krumme Nase an ihrem Hals und an ihren Haaren schnüffelte, schrie sie voller Entsetzen auf. Er roch an ihrem Umhang, und als sein Gesicht zu ihrem Schoß wanderte, stieß sie ihn mit aller Kraft von sich.
Fluchend landete er auf seinem Gesäß, was die beiden anderen Gesellen zum Lachen brachte. Wütend funkelte er anna Maria an.
»Horch, was ich dir sage! Ich werde dich am nächsten Baum aufknüpfen, wenn du abermals wagen solltest, dich mir zu widersetzen!«
Das Bild des Erhängten, dem die Krähen das Fleisch vom Schädel pickten, kam anna Maria in den Sinn, und sie schluckte mehrmals.
Als der Mann erneut an ihr roch, schloss sie die augen und biss sich auf die Unterlippe, um nicht laut aufzuschreien.
»Wahrhaftig, Michel! Das Luder stinkt wie ein ganzes Wolfsrudel!« Mit zusammengekniffenen augen ging er um anna Maria herum und schien zu überlegen.
»Wo ist er?«
»Wen meint Ihr?«
»Den Wolfsbanner!«
»Ich kenne niemanden, der so heißt. Letzte Nacht habe ich mich aus Versehen in aas gelegt – vielleicht ist es das, was ihr riechen könnt.«
Nun schnupperte
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