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Gabe der Jungfrau

Gabe der Jungfrau

Titel: Gabe der Jungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Zinßmeister
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stemmte die Hände in die Hüften und erklärte: »Es ist ein Bannzeichen und soll mich vor Wölfen beschützen.«
    »Dachte ich es mir doch!«, presste er hervor und prustete los.
    »Das ist kein Grund, sich über mich lustig zu machen!«, verteidigte sie sich.
    »Ihr wollt mir doch nicht weismachen, dass Ihr solch faulem Zauber Glauben schenkt?« Kopfschüttelnd wischte er sich über die augen.
    Anna Maria ging nicht darauf ein, sondern fragte verstimmt: »Könnt Ihr mir die Richtung ins Elsass zeigen?«

    »Ins Elsass?«, wiederholte er und runzelte die Stirn.
    Der Wolfsmensch überlegte und wies stumm nach draußen. Er klang verärgert, als er sagte: »Selbst wenn ich Euch die Richtung erklären würde, Ihr würdet Euch verlaufen. Es gibt keinen Pfad, dem Ihr folgen könnt, und hier ist der Wald sehr dicht bewachsen.«
    »Das habe ich gestern auch schon bemerkt. aber es soll einen Schmugglerweg geben.«
    Sein Kopf fuhr herum, und er sah sie durchdringend an. Dann entspannten sich seine Gesichtszüge. »Das ist wohl wahr, aber ich kann Euch nicht helfen. Zwar habe ich von diesem Pfad gehört, doch ich kenne die Zeichen nicht, die den Weg weisen.« Mehr zu sich selbst meinte er dann: »Es bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als Euch aus dem Waldstück hinauszuführen.« Etwas lauter fügte er hinzu: »am Nachmittag aber werden sich endgültig unsere Wege trennen.«
    Es klang wie eine Drohung in anna Marias Ohren. Trotzdem dankte sie ihm, was der Wolfsmensch schweigend überging. Wortlos nahm er zwei große Beutel, die aus Wolfsfell gefertigt worden waren, und steckte jeweils zwei Wolfsjunge hinein. Erschrocken blickte anna Maria in den Beutel. Die kleinen Wölfe kuschelten sich in das Fell und gähnten herzhaft. Der Mann warf sich einen Beutel über den Rücken, den anderen trug er vor dem Bauch. Er blickte sich kurz in der Höhle um und ging dann nach draußen. anna Maria folgte ihm.
     
    Der Wolfsmann bewegte sich mit großen Schritten sicher durch den Wald. Leichtfüßig überwand er Hindernisse, kletterte über umgestürzte Bäume oder sprang über Bäche. Um ihm folgen zu können, musste anna Maria beinahe rennen. Rasch bekam sie Seitenstechen und atemnot. als sie sich beklagte, wies er sie schroff zurecht, dass sie keine Zeit zu verschwenden hätten. Von den Wolfsjungen im Beutel hörte man keinen Laut, nur
den bestialischen aasgeruch, der von ihnen und dem Wolfsmenschen ausging, konnte anna Maria noch immer deutlich riechen.
     
    Starker Wind kam auf, und selbst im dichten Wald spürte man die Kälte, die er mit sich brachte. anna Maria zog ihren Pilgerumhang fester um sich.
    Als sich der Wald lichtete, konnte sie in der Ferne Berge erkennen.
    »Ist dort das Elsass?«, fragte sie schnaufend.
    »Nein!«, war die knappe antwort.
    Statt wie erhofft aus dem Wald zu treten, schlug der Mann einen Bogen und verschwand zwischen den Bäumen.
    Anna Maria folgte ihm, bis er anhielt und sich nach ihr umdrehte: »Seht Ihr rechts von Euch die Schlucht?« Sie nickte.
    »Dieser folgt Ihr bis zu einer Weggabelung, dann geht Ihr rechts den breiten Pfad entlang. Er wird Euch ins Elsass führen.«
    »Was ist mit der Wolfsschlucht?«, fragte sie besorgt.
    »Wir haben sie umgangen!«
    »Oh, das war mir nicht bewusst. Nun kann mir nichts mehr passieren?«
    »Was soll ich Euch auf eine so dumme Frage antworten?«, spottete er. anna Marias Wangen überzog eine tiefe Röte. Sie wandte sich von ihm ab und blickte in die Richtung, die er ihr gewiesen hatte. Dabei wiederholte sie seine Worte. »War das richtig so?«, fragte sie.
    Erschrocken erkannte anna Maria, dass er verschwunden war. Unsicher blickte sie sich um. Nichts deutete darauf hin, dass er jemals neben ihr gestanden hatte. Selbst der Gestank war wie fortgeweht.
    Bekümmert, dass er ihr nicht Lebewohl gesagt hatte, setzte sie ihren Weg fort. Noch einmal schaute sie zurück. Nichts
war zu sehen, und so straffte sie ihre Schultern und folgte der Schlucht.

    Der Wind hatte zugenommen und zerrte an anna Marias Umhang. als die Dämmerung einsetzte, suchte sie sich einen Platz zum Schlafen. an einer geschützten Stelle entfachte sie ein Feuer. als anna Maria zur Ruhe kam, verspürte sie Hunger. In ihrem Beutel fand sie ein Stück alten Brots, das sie in kleine Stücke teilte. Jedes kaute sie sorgfältig. ›Sicherlich komme ich morgen in ein Dorf, wo ich etwas zu essen kaufen kann‹, machte sie sich Mut.
    Der Wind ließ das Feuer unruhig flackern. anna Maria zog sich die Kapuze

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