Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gabe der Jungfrau

Gabe der Jungfrau

Titel: Gabe der Jungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Zinßmeister
Vom Netzwerk:
in die Rolle von Peter geschlüpft war. So blieb dem Bauern nichts anderes übrig, als von Peters Verletzung und auch von dem Umstand zu erzählen, der dazu geführt hatte. anschließend drohte er dem Gesinde mit deutlichen Worten Schlimmes an, sollte einer das Geheimnis verraten.
    Hofmeister wusste aber, dass er auf die Verschwiegenheit der Knechte und Mägde zählen konnte. Schließlich waren die Zeiten hart, arbeit rar, und die meisten Menschen hatten kaum zu essen. Nicht so auf dem Hofmeister Hof. Da er als freier Bauer von den abgaben befreit war, musste niemand Hunger leiden. Und nach der mutigen Tat von Peter und Matthias würde sogar schmackhaftes Wild schon bald den Essensplan bereichern. Warum also sollte das Gesinde so dumm sein und eine gute Stellung aufs Spiel setzen?

    Anna Marias Welt hatte sich seit dem Tag, als sie in Peters Rolle geschlüpft war, gewandelt. Ihr Theaterspiel wurde von allen als Heldentat gefeiert. Mit einem augenzwinkern steckten ihr die Mägde ein Stück Hefegebäck zu, und nur zu gerne halfen ihr die Knechte, Wasser aus dem Brunnen zu schöpfen. Überall sah das Mädchen in freundliche Gesichter.
    Sogar das Verhalten des Vaters gegenüber der Tochter hatte sich verändert. Zwar sprach er auch weiterhin kaum mit ihr, doch allein das kurze Lächeln, mit dem er sie bedachte, wenn sie sich auf dem Hof oder im Haus begegneten, ließ anna Marias Herz einen Satz machen, so sehr freute sie sich über die anerkennung des Vaters. Selbst als sie die Milch verschüttete, raunzte er sie weder an, noch bekam sie Schläge.
     
    Nachdem anna Maria mit Peter gesprochen hatte und wusste, wo Matthias und er den Bock versteckt hatten, fürchtete sie jedoch, dass sie nur für kurze Zeit ein glückliches Mädchen sein durfte. Lieber Gott, dachte sie, ich würde alles dafür tun, wenn es nur so bliebe.
    Sie ging nach unten und kniete in der kalten Stube vor dem kleinen Holzkreuz an der Wand nieder. Stumm bat sie darum, dass ihr Geheimnis gewahrt bleiben möge. Doch auch das Gebet konnte ihr nicht das Unbehagen nehmen. Von augenblick zu augenblick wurde es größer und verdrängte den Rest Hoffnung in ihr.
     
    Aber anna Marias Befürchtungen schienen unbegründet, denn tags darauf kamen der Vater und seine beiden Söhne gut gelaunt mit dem erlegten Rehbock nach Hause.
    Um nichts Verräterisches von dem Wild auf dem Hof zu haben, hatten sie ihn bereits im Wald zerteilt und die Läufe, den Kopf und auch die Felldecke vor die Dachsgrube geworfen. Der alte Dachs würde sich sicherlich sofort darüber hermachen – dessen war sich der Bauer sicher.

    Wie Peter prophezeit hatte, war das Wildfleisch durch das fließende Wasser zart und weich und konnte direkt verarbeitet werden.
    Die Mutter und die Mägde wuschen und zerschnitten das Fleisch, die Knechte zersägten die Knochen und Sehnen, damit daraus eine kraftvolle Suppe gekocht werden konnte.
    Die Stimmung unter den Leuten war ausgelassen, denn jeder freute sich auf den Rehbraten, der am Sonntag auf dem Herd schmoren würde.
     
    Immer wieder blickte anna Maria scheu zum Vater, der eine Flasche Selbstgebrannten vor sich auf dem Tisch stehen hatte und das Treiben still beobachtete. Nichts in seinem Blick wies darauf hin, dass er um ihr Geheimnis wusste.
     
    Nachdem das Fleisch mit Gewürzen eingerieben war, wurde ein Stück gepökelt, ein anderes Stück in den Rauch zum Schweineschinken gehängt und der Rest mit verschiedenen Kräutern in Sud eingelegt.
    Endlich war die arbeit getan. Später als an anderen abenden kehrte Ruhe auf dem Hofmeister Hof ein. als Elisabeth an ihrem Mann vorbei nach oben ging, klopfte sie ihm wohlwollend auf die Schulter. Hofmeister trank noch einen letzten Schnaps.
    Mit Daumen und Zeigefinger löschte er die Kerzen und folgte seiner Frau in die Schlafstube. Vielleicht war Elisabeth noch wach, damit er ihr von seiner seltsamen Entdeckung im Steinbruch erzählen konnte.

    Die Erinnerungen an zu Hause trieben anna Maria Tränen in die augen. Mit beiden Händen fuhr sie sich übers Gesicht. allein mit vier Wolfsjungen in einer Höhle fernab von anderen Behausungen schwor sie sich in die Dunkelheit: »Morgen werde
ich mich wieder auf den Weg machen, und nichts wird mich aufhalten können!«
     
    Der kalte Wind zog durch die Höhle und wehte Blätter durch die Öffnung. anna Maria fröstelte. Im Halbschlaf zog sie sich die Felldecke über die Schultern. als sie kurz mit den augenlidern blinzelte, erkannte sie, dass es

Weitere Kostenlose Bücher