Gabe des Blutes
neben den Backofen. Da rechts ist ein Stuhl, der nicht im Weg ist.« Sobald er sich dankbar im wärmsten Teil der Küche niedergelassen hatte, wandte sie sich an den Vater. »Ihr Name, Sir?«
»Ähh, Kell, Euer Ladyschaft. Aber ich bin kein Sir.«
»Für mich schon«, sagte sie abweisend. »Jetzt zu Stebban. Wie lange geht es ihm schon so?«
»Der Pharmazeut meinte, er hätte das Fieber schon seit Monaten. Er ist vor dem Säen krank geworden, hat dabei noch ein bisschen geholfen, aber während der Ernte hat er nur noch geschlafen und gegessen. Er ist ein guter Junge und ein harter Arbeiter. Sieht ihm gar nicht ähnlich. Meine Frau gibt ihm dauernd etwas zu essen. Gute Sachen, so wie der Mediziner gesagt hat. Nichts ist zu teuer für meinen Sohn, das ist die Wahrheit.«
»Natürlich nicht. Welche Ernährung hat der Pharmazeut denn empfohlen, Sir?«
Kell musste lächeln, als sie ihn erneut Sir nannte.
»Na ja, schwere Kost, damit er zunimmt. Obwohl es nicht funktioniert hat. Fleischeintopf. Schmalz und ordentlich Fett. Frisches Brot. Kuchen und Püree. Er hat uns auch so ein Stärkungsmittel gegeben. Scheint ihm allerdings eher schlecht zu bekommen.«
Er hielt ihr eine verkorkte Flasche hin, und sie lächelte angestrengt. Medizin musste besser verschlossen sein als diese, damit die Wirkstoffe erhalten blieben. Sie zog den Korken heraus und schnupperte vorsichtig daran. Sie hustete, als der unerwartete Geruch von Grünwurzel ihr entgegenschlug. Grünwurzel war ein Brechmittel! Natürlich ging es dem Jungen schlecht, wenn er das nahm! Erschrocken blickte sie zu dem Jungen, als ihr ein ungeheuerlicher Gedanke kam. Hatte der Mediziner den Jungen absichtlich krank gemacht? Das Brechmittel würde zu Gewichtsverlust führen, wenn man es lange genug nahm, egal, was er aß. Ganz zu schweigen davon, dass die empfohlene Nahrung nicht besonders reichhaltig war. Was hätte er als Nächstes getan? Das Medikament abgesetzt und ein anderes angeboten, um so zu tun, als wollte er den Jungen auf der Schwelle des Todes heilen?
Mystique zwang sich, tief durchzuatmen. Nein. Das Brechmittel und ein schlechter Rat waren nur ein Teil des Problems. Der Junge war wirklich krank, doch der Mediziner hatte das eigentliche Problem nicht erkannt. Seine Heilmittel hatten Stebban noch mehr geschwächt.
»Könnt Ihr meinem Jungen helfen, Mylady?«, fragte der Bauer und schaute trotz seiner müden, ernüchterten Augen hoffnungsvoll drein.
»Vielleicht kann ich das, Sir«, sagte sie so gedankenvoll, dass der Bauer diesmal einen echten Hoffnungsschimmer verspürte. Sie hatte seltsame Augen und ungewöhnliches Haar, doch er spürte die Wahrheit in ihr, obwohl er ihre Gedanken und Gefühle nicht lesen konnte. Er war kein starker ’Path , doch sein Instinkt leistete ihm gute Dienste. »Könnt Ihr ihn hier im Wohnturm lassen, Kell? Wollt Ihr ihn mir anvertrauen? Ihr könnt ihn jederzeit besuchen, und seine Mutter ebenfalls. Wir geben ihm einen Raum und kümmern uns um ihn. Ich brauche drei oder vier Tage, bevor ich genau sagen kann, was mit ihm los ist.«
Reule lehnte sich an eine Wand im Flur und blickte direkt in einen Lagerraum mit drei hohen Fenstern und in eine leere Vorratskammer, die zu einer Krankenstation umfunktioniert wurden. Sie waren kurzerhand ausgeräumt, äußerst gründlich gereinigt und nach den Wünschen des kleinen weiblichen Wirbelwinds, der mitten in dem Durcheinander herumlief, ausgestattet worden.
Es würde ihm nichts ausmachen, wenn sie den ganzen Wohnturm übernahm, wenn es sie nur glücklich machte. Es würde sich schon allein deshalb lohnen, sie dann erröten und lachen zu sehen, wie gerade in diesem Moment. Das Rudel, ein Haufen Diener und einfache Helfer stolperten übereinander, um sie zu erheitern, während sie alle ihre Wünsche erfüllten und am liebsten ehrerbietig vor ihr auf die Knie gefallen wären. Die Gerüchte über das, was sie für Chayne getan hatte, hatten sich unter den Bewohnern der Burg ausgebreitet wie ein Lauffeuer und ihr über Nacht deren Zuneigung eingebracht.
Andererseits standen ihr nun bei jeder Bewegung vier heiratsfähige Männer im Weg. Rye versprühte vornehmen Charme. Darcio zog sie fortwährend auf. Selbst der mürrische Delano überschlug sich fast dabei, sich um ihre Bedürfnisse zu kümmern und ihr ein Lächeln zu entlocken. Saber war eindeutig ein toter Mann, dachte Reule finster. Der Verteidiger hatte sie bereits zweimal berührt. Einmal, als er sie an der schmalen Taille gepackt
Weitere Kostenlose Bücher