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Gabe des Blutes

Gabe des Blutes

Titel: Gabe des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacquelyn Frank
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und seinen Jungen kümmern«, sagte sie, während sie sich hastig über die Wangen strich, ein vergeblicher Versuch, ihre Tränen vor ihm zu verbergen. Doch sie begriffen beide, dass sie Zeit brauchte, um die Erinnerungen und die Gefühle, die sie weckten, zu verarbeiten. Sie würde mit Reule sprechen, wenn sie so weit war.
    »Woher wusstet Ihr, dass jemand hier ist, um Euch zu sehen?«, fragte Darcio beiläufig, um das Thema zu wechseln.
    »Nun, ich …« Sie drehte sich um, und ihr Gesicht hatte einen überraschten Ausdruck, als sie von Darcio zu Reule und wieder zurück blickte. »Ich wollte nur … Ich habe ihre Not gespürt. Ich habe die Krankheit des Sohnes gespürt. Ich wusste einfach, dass sie da sind und mich brauchen, damit ich sie gesund mache.«
    »Sie? Ich dachte, der Sohn wäre derjenige, der krank ist«, sagte Reule.
    »Reule«, tadelte sie ihn sanft. »Welcher Vater wäre nicht krank vor Sorge, wenn sein Sohn so krank ist?«
    Sie drehte sich um und ging rasch davon, als würde das alles erklären.
    Seltsamerweise glaubte Darcio das auch.
    Es brauchte einen weiteren Streit und viel Überzeugungsarbeit, um Reule klarzumachen, dass er nicht mit ihr in die Küche kommen sollte. Sie versuchte, ihn dazu zu bringen, seinen Pflichten nachzukommen, doch das war anscheinend zu viel verlangt. Schließlich gelang es Darcio, Reule davon zu überzeugen, sich von der Küche fernzuhalten.
    Mystique war dankbar. Sie wollte diese Sache allein angehen, ohne dass Reule Händchen hielt. Er war so bestimmend, und als Herrscher von Jeth würde er Respekt und Gehorsam verlangen. Doch sie wollte das nicht. Unbewusst hatte sie die Verantwortung für die Gesundheit des Sánge-Volkes übernommen, indem sie deren Pharmazeuten fortgejagt hatte. Wenn man bedachte, wie er Chayne behandelt hatte, war es nicht verwunderlich, dass er und seine beiden Lehrlinge sich um Tausende von Sánge hatten kümmern können. Sie vermutete sogar, dass diese Alleinstellung kein Zufall war. Warum andere ausbilden, wenn sie ihn irgendwann überflügelten und seine Schwächen erkannten?
    Mystique war dankbar, dass sie Chayne hatte heilen können, und sie war auch froh, dass sie die Aufmerksamkeit von Jeth auf die fragwürdige medizinische Versorgung durch den Pharmazeuten gelenkt hatte. Allerdings war sie sich nicht sicher, ob sie dem Rest der Sánge helfen konnte. Sie wusste nicht einmal, woher sie ihre Kenntnisse hatte oder wie weit ihr Wissen tatsächlich reichte. Sie hatte Angst, einen Fehler zu machen, durch den jemand zu Schaden kommen würde. Nur weil sie eine sogenannte Naturheilerin war, machte sie das nicht unfehlbar.
    Jedenfalls würde sie nicht zulassen, dass jemand von ihren Selbstzweifeln erfuhr, wenn sie sich mit dem neuen Fall befasste. Sie stürmte in die heiße Küche und spürte das geschäftige Treiben anhand von Dampfwolken und dem lauten Geklapper von Töpfen und Besteck. Es wurde allerdings nicht gesprochen, und aus der Art, wie sich die Härchen an ihren Armen aufstellten, schloss sie, dass sich das gesamte Personal telepathisch verständigte, anstatt sich über den Lärm hinweg etwas zuzurufen. Mit dem Ergebnis, dass alles, was sie taten, einen beinahe musikalischen Klang erzeugte. Auch ihre Bewegungen umeinander herum glichen einem perfekt einstudierten Tanz. Sie musste lächeln.
    Mystique wandte ihre Aufmerksamkeit einem Mann in grober Kleidung zu, der an einem Tisch ein wenig abseits saß. Sie spürte den Jungen sofort, oder vielleicht hatte sie nie aufgehört, ihn zu spüren, und wurde sich seiner jetzt nur stärker bewusst, als sie den Blick auf ihn richtete. Er war genauso einfach gekleidet wie sein Vater, und obwohl er dünn und klein zu sein schien, vermutete sie, dass er viel älter war, als er aussah. Seine Kleider waren viel zu weit, und auch wenn sie nicht aus edlem Material waren, war doch deutlich zu sehen, dass sie sauber und ordentlich waren. Die Kleidungsstücke mussten ihm einmal gut gepasst haben.
    Er war sterbenskrank. Mystique blinzelte, als sie einen grauen Schleier um ihn herum wahrnahm, den andere nicht sehen konnten. Wie auch niemand sonst die Krankheit des Jungen mit solcher Klarheit sehen konnte, ohne ihn überhaupt zu sehen und ohne zu wissen, dass er da war. Schmerz, ja. Die unverkennbare Traurigkeit von Vater und Sohn. Die Burg war voller starker Empathen, die das alles spüren würden. Doch alles, was sie fühlen konnte, war Krankheit. Ein gefährlicher Virus, der überall in seinem Körper zu sein

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