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Gabe des Blutes

Gabe des Blutes

Titel: Gabe des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacquelyn Frank
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Hand und verschränkte seine Finger fest mit ihren. Sie erschauerte, als alle Männer zugleich die Waffen zückten. Sie vibrierten regelrecht, wie es Mystique noch nie zuvor verspürt hatte. Ihre Bewegungen wurden immer leiser, auch wenn das Unterholz mit jedem Schritt dichter wurde. Bald war es, als würde man sich zwischen Geistern bewegen, Männer, die da waren und doch wieder nicht. Die anderen verständigten sich stumm miteinander, bis sie das unheimliche Gefühl hatte, als würde sie allein durch die Wildnis wandern, trotz der starken Finger, die ihre fest umschlangen.
    Diese Einsamkeit erschreckte sie zutiefst und zerrte an ihrem Gedächtnis, bis sie zitterte und sich zwang, dicht an Reule heranzurücken. Er spürte ihre Unruhe und legte ihr den Arm um die Taille, während er sie über Felsen und umgestürzte Bäume führte. Es half ihr, erneut die Bewegungen der Gruppe wahrzunehmen, und es gelang ihr, Ruhe zu bewahren.
    Reule war ganz auf das Rudel konzentriert, entschlossen, nicht zuzulassen, dass es noch weitere Opfer unter ihnen gab. Er würde dafür sorgen, dass sie keine Fehler machten. Das hier dürfte eigentlich gar nicht stattfinden. War er zu nachlässig gewesen? Zu nachsichtig gegenüber den verachtenswerten Schakalen? Es gab Sánge, die fanden, er sollte die umherziehenden Schakale einfach alle unterschiedslos töten. Und das konnte er, wenn er wollte. Das hier war Sánge-Land, und er war das Gesetz.
    Er blickte zu Mystique, und augenblicklich war ihm klar, dass er niemals eine Spezies unterschiedslos töten könnte. Den Sánge war so ein Schicksal widerfahren, und er wusste, wie sich eine solche Verfolgung anfühlte. Wenn auch nur ein Schakal anders war, so wie seine Kébé , dann wäre das unverzeihlich.
    Angst stieg in ihm hoch, während sie der Höhle immer näher kamen.
    Reule brachte sie wortlos dazu, stehen zu bleiben, und mit seinem Arm um Mystiques Taille bedeutete er auch ihr, innezuhalten. Er stieß sie gegen den dicken Stamm eines Baums. Mystique gab einen überraschten Laut von sich, als er sie mit seinem riesigen Körper gegen die Borke presste, bis sie zu ihm aufblickte. Ihr Atem bildete kleine Wölkchen in der kalten Nachtluft, da die Temperatur während ihres Ritts gefallen war.
    »Bleib hier, Kébé . Du kannst nicht mitkommen. Ich hole dich, wenn das hier vorbei ist. Ich meine es ernst«, sagte er, als sie den Mund aufmachte, um zu widersprechen. »Bring mich nicht dazu, dich an diesen Baum zu fesseln. Ich würde dir lieber die Möglichkeit lassen, dich zu verteidigen. Es gibt wilde Tiere in diesem Wald.« Reule zückte seinen Dolch und gab ihn ihr. Die anderen Männer sagten keinen Ton, doch Mystique konnte den Schock spüren, der sie bei dieser Geste durchfuhr.
    Ohne so recht zu verstehen, was sie davon halten sollte, packte sie den Griff der Waffe und steckte sie in ihren linken Stiefel. Als sie den Kopf hob, starrte Reule sie verblüfft an.
    »Du überrascht mich immer wieder«, sagte er leise, während er ihr mit dem Daumen über die Wange fuhr.
    Er beugte sich hinunter, um sie in einer besitzergreifenden Geste zu küssen. Es machte sie schwindlig und atemlos, es schmeckte nach Ruß und nach Reule. Er riss sich von ihr los, als müsste er es schnell tun, oder er würde es nie schaffen. Er wies eine Wache an, bei ihr zu bleiben, und dann sah sie, wie sie völlig geräuschlos im Unterholz verschwanden.
    »Vielleicht hätte ich bei den Pferden bleiben sollen«, murmelte Mystique etwas später mit klappernden Zähnen. »Die sind wenigstens warm.«
    Und gesprächiger, dachte sie verdrießlich, während der Wachmann sie weiterhin nicht beachtete. Er schien ebenfalls nicht glücklich darüber zu sein, dass man ihn zurückgelassen hatte. Eine Fremde beschützen zu müssen war wohl nicht das, was er sich vorgestellt hatte, wie er wahrscheinlich fand. Am liebsten wäre sie zu ihm hingegangen und hätte ihn gegen das Schienbein getreten. Doch sie nahm sich zusammen, um dem Drang nicht nachzugeben.
    Als der Wachmann plötzlich nach hinten geschleudert wurde, war es, als hätten ihre gehässigen Gedanken ihn getroffen. Es dauerte einen Moment, bis Mystique begriff, dass eine psychische Rückkoppelung auf ihn niedergegangen war wie ein Peitschenhieb. Dann drang es auch zu Mystique, ein brennendes Gefühl und ein Geschrei um sie herum, und erfüllte sie mit namenlosem Entsetzen. Sie legte schützend die Arme um den Kopf, doch die durchdringenden mentalen Schreie durchzuckten sie immer

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