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Gabe des Blutes

Gabe des Blutes

Titel: Gabe des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacquelyn Frank
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wieder. Sie sank auf die Knie in die Brombeersträucher, und ihre Kleidung wurde klamm. Ihr Kopf pochte schmerzhaft, während sie Schüsse hörte und Schreie, die von echten Stimmen ausgestoßen wurden und durch den Wald hallten. Sie wimmerte leise, weil die psychische Folter nicht aufhören wollte, und sie versuchte, eine Art Schutzwall zu errichten. Es musste eine Möglichkeit geben, sich zu schützen, sie wusste nur nicht, wie.
    Sie war so betäubt, dass sie nicht sagen konnte, wen sie in dem Durcheinander von Geräuschen hörte. War einer von diesen männlichen Schreien von Reule? Von seinem Rudel? Instinktiv zückte sie den Dolch, den Reule ihr gegeben hatte, und umfasste die Waffe mit festem Griff. Das Gefühl, sich wehren zu können, linderte den schmerzhaften Ansturm. Sie schluchzte, zum Teil aus Erleichterung und zum Teil, weil ein intensives Gefühl von Trauer sie überkam. In den letzten Tagen war sie so entspannt gewesen, dass sie den übermächtigen Schmerz, der sie fortwährend heimsuchte, beinahe vergessen hatte. Doch er war heftiger denn je.
    Als sie sich wieder auf den Beinen halten konnte, begab sich Mystique zu dem Wachmann, der noch immer rücklings auf dem Boden lag. Sie beugte sich über ihn, während sie die Tränen wegblinzelte. Sie wollte nur, dass Reule in Sicherheit war. Seine lebendige Wärme neben sich.
    »Geht es Euch gut?«, fragte sie den Wachmann heiser und berührte ihn vorsichtig an der Schulter für den Fall, dass er feindselig reagierte.
    »Ja. Du meine Güte«, keuchte er.
    »Wir müssen zu Reule.«
    »Nein. Mein Primus würde mir den Kopf abreißen, wenn ich seine … Ihr …« stammelte er, und Mystique verstand seinen Zwiespalt. Keine richtige Dame würde sich so verhalten, wie sie es getan hatte, indem sie Dinge sagte, die keinen Hehl aus ihrem Verlangen nach Reule machten. Es hatte sie nicht gekümmert, sich das herauszunehmen. Nicht, bis dieser Mann sie beinahe eine Hure genannt hatte.
    »Tut mir leid«, sagte er mit verzweifeltem Tonfall und setzte sich auf. »Ich wollte Euch nicht beleidigen, Mylady, ich bin nur ein ungehobelter Wachmann, und ich …«
    »Schon gut«, beruhigte sie ihn leise. »Wie heißt Ihr?«
    »Sath.«
    »Sath. Nun, Sath, Ihr habt nur ehrlich gesagt, was Ihr denkt. Ich bewundere das an jedem. Können wir jetzt bitte gehen? Ich spüre ganz deutlich, dass ich gebraucht werde.«
    »Bittet mich nicht, gegen die Weisungen des Primus zu verstoßen, Mylady. Auch wenn er noch so gerecht ist, er und das ganze Rudel würden mich in die Mangel nehmen. Wenn Euch irgendetwas zustoßen sollte …«
    »Verstehe.« Mystique seufzte. »Tut mir leid.«
    »Ihr müsst Euch nicht entschuldigen.«
    »Doch. Ich fürchte, ich muss.«
    Sie wusste nicht genau, woher sie wusste, dass sie es tun konnte, doch sie legte rasch eine Hand auf Saths Stirn. Im Bruchteil einer Sekunde zeigte sich seine Gehirnstruktur in ihrem Bewusstsein mit all seinen winzigen Verbindungen und Funktionen, so wie es bei Chaynes Knochen und Muskeln der Fall gewesen war, als sie ihn geheilt hatte. Nur dass sie diesmal nicht heilte. Sie beeinflusste eine natürliche, gesunde Funktion, und Sath fiel schlafend auf das feuchte, verrottende Laub auf dem Waldboden.
    Er hatte keine Chance.
    Mit vor Erschöpfung und Anspannung pochendem Kopf versuchte Mystique sich zu sammeln. Mit gezücktem Messer wollte sie sich gerade auf den Weg machen, dorthin, wo die Geräusche im Wald herkamen. Sie war noch keinen Schritt gegangen, als der ganze Wald wegkippte und sie der Länge nach hinfiel.
    Ihr Magen rebellierte, und sie versuchte, es unter Kontrolle zu bekommen.
    Bleib, wo du bist.
    Es gab keinen Zweifel, wessen Stimme den herrischen Befehl in ihrem Kopf gab. Sie war so erleichtert, ihn zu hören, dass sie sich nicht an dieser Anmaßung störte. Stattdessen rollte sie sich seufzend herum und rief sich in Erinnerung, dass diese dominante und gebieterische Art zu einem Herrscher gehörte. Außerdem erschien ihr der Vorschlag, dort zu bleiben, wo sie war, ganz vernünftig.
    Es dauerte nur wenige Minuten, bis sie spürte, dass er über ihr stand. Er kniete sich hin, als sie die Augen öffnete. »Was ist passiert?«, fragte er sanft, während er sie an sich zog. Sie umfasste seine Arme, um Halt zu gewinnen, und spürte erschrocken die feuchte Wärme an den Fingern.
    »Du bist verletzt«, rief sie aus, als die Art seiner Verletzung in ihr Bewusstsein drang. Er hatte einen Messerstich in seinem linken Bizeps und Risswunden am

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