Gabriel - Duell der Engel
nicht.
Moment ⦠Vielleicht konnte ich das Licht nur nicht sehen, weil ich selbst ein Engel war. Und das mit den Flügeln ⦠Na ja, Seraphin war anders. Er war von Grund auf verdorben, hatte kein Gewissen und keine Moral. Vielleicht war er so etwas wie ein VerstoÃener? Halt; was hatte er eben gesagt? Ich kramte in meinem Gedächtnis, suchte nach bestimmten Worten und wurde fündig: »Hast ja recht, bin kein Mensch mehr. Aber ich war mal einer. Nehme ich an. Genau wie du.« Okay, er wusste es also selbst nicht genau. Wahrscheinlich war es ihm genau so ergangen wie mir â er hatte irgendwann herausgefunden, dass er anders war. Was er war. Nur dann hatte er irgendwie einen falschen Weg eingeschlagen. War »auf die schiefe Bahn« geraten, wie es wohl meine Eltern formulieren würden.
Gedanken drängten sich in meinen Kopf, Dokumentationen, die ich einst gesehen, Berichte, die ich einst gelesen und Gespräche, die ich einst geführt hatte. Ãber das Böse im Menschen. Darüber, ob der Mensch seine Handlungen überhaupt kontrollieren kann. Oder ob nicht irgendjemand anderes, jemand, den wir nicht kennen und uns nicht vorstellen können vielleicht, die Fäden in der Hand hält. Ãber Neurowissenschaftler, die herausgefunden zu haben glaubten, dass ein Entschluss schon dem Gehirn bekannt ist, bevor wir uns selbst darüber bewusst sind.
Ach, verdammt, das brachte mich alles nicht weiter! Was spielte es für eine Rolle, ob Seraphin böse war, ob er etwas für seine Taten konnte, was auch immer. Das Einzige, was im Moment wichtig war, war die Frage, wie ich ihn besiegen konnte. Wie ich unschuldigen Kindern das Leben retten konnte. Moment; wurde ich etwa doch noch zum Helden? Irgendwie war mir unwohl bei dem Gedanken und ich verwarf ihn wieder.
Gut, um Seraphin zu besiegen, musste ich erst mal verstehen, warum er so ungeheuer stark war. Mir so haushoch überlegen. Aber so sehr ich auch in meiner Erinnerungskiste kramte, Gedanken durchwühlte und Google durchsuchte â ich fand keine Antwort.
Irgendwann kitzelte mich etwas an der Nase. Ich drehte den Kopf und sah rechts aus meinem Zimmerfenster. Sah die Sonne, wie sie gerade hinter Frankfurt aufging. Sie war unglaublich schön. Für eine Weile versank ich in ihrem Anblick, der mir Frieden und Ruhe versprach, vergaà die Grausamkeiten um mich her. Bis ein gemeiner, verspäteter Gedanke mich in die Realität zurückkatapultierte. Die Sonne ging auf! Hatte ich etwa die ganze Nacht vergeudet? Die ganze Nacht ??? Sonnenaufgang. Ein neuer Tag begann. Und mit ihm die Gewissheit eines neuen Mordes.
Notizen
 Â
Leere FüÃe
Â
»Warum?«, wollte sie wissen. Ihr Blick formte eine einzige Frage, die Frage, auf die es keine Antwort gab, noch nie eine gegeben hatte und auch nie eine geben würde. Und doch war ihr Blick leer. Leer wie die Frage selbst.
»Ich weià es nicht«, antwortete ich wahrheitsgemäÃ. Die Frage nach dem Grund konnte noch nie jemand beantworten. Der Grund war für niemanden völlig eindeutig. Wenn man glaubte, ihn zu kennen, machte er einem auf unmissverständliche Art und Weise klar, dass man falsch lag, dass er überlegen war, weil er niemals gefunden werden konnte. Man konnte das Suchen nach dem Grund zu seiner Lebensaufgabe machen, man konnte aber auch einfach akzeptieren, dass man ihn nie finden würde. Letztendlich kam es auf das Gleiche heraus.
Sie verzog den Mund, sah mich schmollend an und fragte wieder, diesmal mit mehr Nachdruck: »Warum?«
Ich starrte auf meine FüÃe. Als könnten die mir die Antwort liefern. Sie standen nur stumm nebeneinander, guckten geradeaus und schienen mich absichtlich zu ignorieren. Auf meine FüÃe war eben noch nie Verlass gewesen. Wenn sie die Antwort wissen, haben sie ihren Spaà daran, sie für sich zu behalten und mich ahnungslos stehen zu lassen.
»Hey, was hältst du davon, wenn wir ein Spiel spielen? Verstecken oder so?« Ich versuchte ein Lächeln und kniff ihr sanft in die Wange, so wie ich es früher immer getan hatte. Oder war es gestern gewesen?
»Au ja! Du zählst. Aber nicht schummeln!« Und schon war sie verschwunden. Wie die Frage.
28. Mai 2012, 06:37 Uhr
Â
Ich brauchte ihn nicht lange zu suchen. Er saà auf meinem Lieblingswolkenkratzer. Psychopath!
Ich lieà mich neben ihn sinken. Wortlos. Eine Weile saÃen wir einfach nur schweigend da
Weitere Kostenlose Bücher