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Gabriel oder das Versprechen

Gabriel oder das Versprechen

Titel: Gabriel oder das Versprechen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Voosen
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nach hinten gebogen, als
stemme er ein Gewicht, begann er leise zu beten.
    »Oh, Herr, lass mich auf ewig dein
Diener sein. Nimm mich auf in die Jüngerschaft deines Sohnes. Immer
wirst du dich auf mich verlassen können. Was du mir befiehlst, wird
mir heilig sein. Vergib mir, dass ich an dir gezweifelt habe, als
du so lange geschwiegen hast. Von nun an werde ich der Treueste
unter deinen Dienern sein, bis in alle Ewigkeit. Oh, Herr, mein Gebieter, sei mir gnädig!« Mit den
Handflächen berührte Gabriel den Boden und küsste ihn. Er stand auf
und trat dicht an den Altar. Jetzt war er wieder mit sich und der
Welt im Reinen. Sein biblisches Schwert - fast liebevoll strich er
über die Klinge des inzwischen vom Blut gereinigten und vor ihm
liegenden Faustmessers - hatte wieder der Gerechtigkeit ein Stück
zum Sieg verholfen.
    Er zog sich aus und duschte. Immer
häufiger hatte er in letzter Zeit das Bedürfnis, sich lange und
gründlich zu waschen. Auch den irdischen Schmutz abzuspülen, wenn
seine innere Reinigung sich bereits durch die Bekämpfung der Sünden
einmal mehr vollzogen hatte.

 
    44
    Polizeipräsidium Wuppertal, Freitag,
29. Mai, 14.20 Uhr
    »Bin gerade erst mit der Aufstellung
fertig geworden, Chef!« rief Svea aufgeregt, noch bevor sie
Fassbinder gegenüber an seinem Schreibtisch Platz genommen hatte,
und wedelte mit einigen Blättern Papier. »Und Erfolg
gehabt?«
    »Ich meine, ja!«
    »Schieß los!«
    »Also alle drei ermordeten Frauen
haben eine weitere Gemeinsamkeit. Und zwar haben sie - das betrifft
die ersten beiden Frauen - keinem der Gesprächspartner ein ›Ja‹
gegeben. Das ist bei keiner anderen Teilnehmerin
vorgekommen.«
    »Interessant. Und du meinst, darin
könnte für den Täter so eine Art Rachemotiv liegen?«
    »Für einen Psychopathen denkbar.
Verletzte Eitelkeit! Verletzter Stolz! Verletztes Ego!«
    »Und was ist mit dem dritten
Opfer?«
    »Ein einziges ›Ja‹. Wenn Sie so
wollen, hat sie sich einen einzigen Mann ausgesucht nach dem Motto
›Den oder keinen!‹. Das heißt Ausgrenzung aller acht anderen
Männer!«
    »Schon nicht ganz so überzeugend,
aber immerhin ein Aspekt. Was ist denn so der Schnitt von
Ja-Stimmen?«
    »Der Schnitt liegt so bei drei bis
fünf, in der Spitze sogar einmal acht!«
    »Wie viele Frauen sind noch dabei,
die wie das dritte Opfer nur ein ›Ja‹ angekreuzt haben?«
    »Zwei, nur zwei.«
    Fassbinder pfiff hörbar durch die
Zähne. »Und du meinst, die sind hochgradig gefährdet, sozusagen
potenzielle Opfer?«
    »Ja, ich bin zwar jetzt ein bisschen
vorsichtiger mit meinen Prognosen, aber das ist meine
Überzeugung!«
    »Svea, ich hab's dir vorhin schon
vor den Anderen gesagt. Bleib dabei. Sag, was du denkst. Gerade du
als Psychologin kannst uns wertvolle Hinweise geben. Vor allem,
wenn wir es mit so einem Spinner zu tun haben!«
    »Ja, Chef, ich weiß. Deshalb sage
ich Ihnen ja auch, dass ich die beiden Frauen für extrem gefährdet
halte!«
    »Und wenn wir da wirklich schief
lägen, wär's auch kein Beinbruch. Im jetzigen Stadium lieber ein
bisschen mehr Personenschutz als zu wenig. Die Presse heizt uns so
oder so ein. Möchte nicht wissen, was nach der Pressekonferenz
heute Abend morgen in den Zeitungen steht.« Svea reichte ihrem Chef
eine Excel-Datei über den Schreibtisch. »Das ist die gesamte
Auflistung mit meinen Anmerkungen in der letzten Spalte.« Dann gab
sie ihm ein weiteres Blatt. »Und hier habe ich Ihnen gesondert die
Namen und Adressen sowie die Geburtsdaten der beiden Frauen
notiert.« Sabine Staudt, 28.08.1967, Horststraße 4, 42781 Haan
Sandra Niemetz, 06.06.1977, Emilienstraße 31, 42287
Wuppertal.«
    Mit Blick auf das Blatt meinte
Fassbinder: »Ein lustiges Geburtsdatum, sechster sechster
siebenundsiebzig!«
    »Ist mir auch schon aufgefallen,
aber so lustig finde ich es gar nicht. Ihr 32. Geburtstag fällt
genau auf den neunten Tag nach dem letzten Mord!«
    »Du hast Recht, Svea. Und wenn deine
Theorie stimmt… nicht auszudenken. So verschroben wie der Täter
tickt, könnte er ihr eine
Geburtstagsüberraschung bereiten wollen!«
    »Mensch Chef, das ist ja furchtbar,
was Sie da sagen. Aber es stimmt, wir müssen mit allem rechnen …
falls, ja falls ich wirklich Recht habe.«
    »Vielleicht ist dieser Zufall gar
nicht so schlecht. Gabriel könnte es als göttliche Fügung
interpretieren, so dass wir unsere Kräfte besser bündeln
könnten.«
    »… aber um die andere Frau müssten
wir uns natürlich auch kümmern!«
    »Stimmt, ein

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