Gabriel oder das Versprechen
und die
Fußfesseln gelöst hatte, weggestoßen, um einen Fluchtversuch zu
unternehmen. Dabei muss sie mit ihren Händen, die wahrscheinlich
vor ihrem Körper gefesselt waren, an sein Gesicht oder seinen Hals
geraten sein, ohne ihn allerdings ernsthaft zu verletzen. Denn
Blutpartikel von ihm haben wir nicht unter ihren Fingernägeln
gefunden, wohl aber winzige Hautschuppen.«
»Gratuliere Doc, das könnte der
Durchbruch sein. Das heißt, wir können uns, was bisher nur
Vermutung war, auf die Männer als Täter konzentrieren.«
»Ja, wenn man das Phänomen der
Doppel-DNA außer Acht lässt.«
»Was heißt das denn nun schon
wieder?«
»Mit einer Wahrscheinlichkeit von
99,99 % können wir von einem männlichen Täter ausgehen. Nur der
Vollständigkeit halber muss ich erwähnen, dass das Münchner
Institut für Rechtsmedizin erst vor wenigen Monaten bei einem
Selbstmörder eine solche Doppel-DNA infolge einer bei ihm zu
Lebzeiten erfolgten Knochenmarkübertragung einer weiblichen
Spenderin festgestellt hat.«
»Okay, Doc, das vernachlässigen wir,
zumal ja so gut wie alle Indizien auf einen männlichen Täter
hinweisen. Aber vielen Dank. Dann hat sich Ihre Nachtschicht ja
gelohnt! Sonstige Besonderheiten gegenüber den anderen
Fällen?«
»Nein. Das gleiche Tatmuster. Neun
Einstiche, überwiegend in der linken Brust. Scheuerstellen an den
Fuß- und Handgelenken durch Fesselung.«
»Also richten wir unser Augenmerk
auf die männlichen ›Speed-Dater‹ des Wuppertaler Bistros. Das heißt
im Klartext: Wir brauchen die DNA aller Besucher. Das wird eine
Sisyphus-Arbeit. Marc, wie viele männliche Teilnehmer hat die Datei
von Vera Corts?«
Ȇber den Daumen gut
200.«
»Prost Mahlzeit!«
Mit dem Einverständnis von Dr.
Wehmayer hatte Fassbinder die Sonderkommission noch um ein paar
Mann erweitern dürfen. Das war jetzt hilfreich, denn die DNA aller
männlichen Teilnehmer mussten so schnell wie möglich beschafft und
mit dem vorhandenen Material abgeglichen werden. Deshalb schickte
Fassbinder Phillip zusammen mit den Neulingen sofort los, um die
Proben zu besorgen. Was heute nicht gelang, musste am Wochenende
nachgeholt werden.
Dr. Wehmayer wünschte der Mannschaft
viel Erfolg und verabschiedete sich mit der Bemerkung, um neun
einen nicht verschiebbaren Termin zu haben. Dr. Brandt folgte
ihm.
Danach setzte sich der Rest der
Sonderkommission gemeinsam mit Fassbinder zusammen, um die
vorliegenden Erkenntnisse auf den Flipcharts zu visualisieren. »Wir
haben uns bei unseren bisherigen Ermittlungen zu sehr mit scheinbaren Indizien beschäftigt. Das ist
immer die große Gefahr, wenn wir ein einzelnes Indiz so
überbewerten, dass wir schon glauben, mit ihm quasi einen Beweis in
Händen zu halten. So wie es uns mit dem Anagramm passiert ist. Es
war ein so phantastischer Gedanke, dass wir alles andere beiseite
geschoben haben und uns auf Lagier gestürzt haben. Nur auf ihn.
Nein, Svea, das war nicht dein Fehler«, wandte er sich an die
Polizeipsychologin, die sichtlich verlegen war. »Nein, im
Gegenteil. Das war genau das, was ich will. Ihr sollt eurer
Phantasie freien Lauf lassen. Aber dann ist es an uns allen, jeden
Gedanken nicht nur euphorisch aufzunehmen, sondern auch kritisch zu
hinterfragen. Bei der Analyse, die wir jetzt vornehmen werden,
sollten wir Wert auf die Übereinstimmungen, aber auch auf die
Unterschiede legen, und zwar bei den Opfern, den Tatausführungen
und dem Täter. Beschränken sollten wir uns zunächst nur auf die
Wuppertaler Fälle. Einverstanden?« fragte er in die Runde. »Dann
los! Cora würdest du bitte die Ergebnisse am Flipchart notieren?«
wandte Fassbinder sich an Cora Behrens, eine der jüngeren
Kommissarinnen. Nachdem sie in den folgenden eineinhalb Stunden
alles zusammengetragen hatten, notierte Cora auf einem gesonderten
Blatt nochmals einige
Fakten.
Übereinstimmungen:
neun Einstiche (überwiegend linke
Brust)
Tatzeit immer gegen
Mittag
Tatorte: Wohnungen im
Mehrfamilienhaus
Tatwaffe immer identisch
(Faustmesser)
keine Einbruchspuren (Täter =
Bekannter, Freund?)
Fußgelenk- und
Handgelenk-Fesselung
gelochte Herz-Dame-Spielkarte
(Lochung wechselt)
Namenszug GABRIEL mit blauem
Filzstift
Fundort der Leichen: Bett
(vollständig bekleidet)
keine Anzeichen sexueller
Gewalt
gefaltete Hände (immer mit Lilie und
Rose)
Opfer immer weibliche
Angestellte
Opfer Teilnehmerinnen an
Speed-Date-Partys
Unterschiede:
Opfer nicht typisiert (Größe und
Haarfarbe
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