Gabriel oder das Versprechen
echter Vorteil ist das
nicht. Aber wir gehen schon wieder davon aus, dass alle unsere
Überlegungen richtig sind. Vieles spricht dafür, aber wir müssen
skeptisch bleiben. Ich denke, wir sollten bei der nächsten
Besprechung die Anderen mit dieser Theorie konfrontieren. Mal
sehen, wie so die allgemeine Meinung ist. Dir auf jeden Fall erst
einmal vielen Dank.«
45
›Focus-Versicherungs-AG‹ Freitag,
29. Mai, 16.10 Uhr
»Hallo Sandra, schön deine Stimme zu
hören!«
»Du Schmeichler, aber vielen Dank.
Die netten Dinge, die du sagst, habe ich ziemlich lange
vermisst…«
»Meinst du von mir?«
»Nein, ich meine eher die etwas
längere Zeit vor dir!«
»Ist Geschichte. Jetzt hast du ja
mich!«
»Und darüber bin ich glücklich«,
flüsterte Sandra ins Telefon, wobei sie sich auch etwas in Richtung
Fenster drehte, denn sie wollte nicht, dass ihre Angestellten
mitbekamen, wie sehr vertraut sie bereits miteinander waren. »Wann
sehen wir uns? Heute, morgen, übermorgen?« sprudelte es in seiner
jungenhaften Unbekümmertheit aus ihm
heraus.
»Am liebsten an allen Tagen, aber
ich muss die Vernunft siegen lassen und dich auf morgen
vertrösten!«
»Das halte ich nicht aus. Ich werfe
mich hinter den Zug!« flachste er und beide mussten lachen. »Okay,
wann, wie, wo?«
»Wollen wir zuerst ins Kino
gehen?«
»Was meinst du mit
zuerst?«
»Du weißt schon, wie ich das meine.
Und wenn wir erst ins Kino gehen, kann ich
mich länger auf dich freuen!«
»Sag mal, können die in deinem Laden
eigentlich alles mithören, was du da so zum
besten gibst?«
»Nein, ich sage das ja alles ganz
leise«, senkte sie ihre Stimme noch mehr.
»Ich glaube, mich hat's ganz schön erwischt!«
»Dann sind wir ja schon zwei. Also
wann treffen wir uns wo? Und welchen Film hast du denn
überhaupt ausgesucht?«
»Er heißt ›Wie im
Himmel‹…«
»Wie passend!« unterbrach er
sie.
»… es ist ein schwedischer Film. Er
soll wundervoll sein und so sanft… wie du!« fügte sie noch hinzu.
»Klingt gut. Okay. Und in welchem Kino läuft er?«
»Im Cinema in Barmen. Am besten du
fährst mit der Schwebebahn vom Landgericht bis Wupperfeld. Von da
sind es noch 100 Meter bis zur Berliner Straße und direkt um die
Ecke ist das Kino. Wir treffen uns da so kurz vor acht. Ist das
okay?«
»Bestens. Dann kann ich ja heute auf
die Rolle gehen!«
»Untersteh dich, schon dich lieber
für morgen!«
»Aye, aye, Käpt'n, habe verstanden.
Keine Munition unnütz verschießen!«
»Weißt du was du bist?«
»Lass mich raten! Ganz
unmöglich?«
»Genau das meine ich.«
»Dachte ich mir. Also dann bis
morgen!«
»Ciao, und träum von
mir!«
»Mach ich, ciao, Sandra!«
46
Bistro ›Vera & Friends‹,
Samstag, 30. Mai, 12.10 Uhr
Vera hatte Carlo gebeten, gegen
zwölf im Bistro zu sein. Seit den Morden florierte das Geschäft wie
nie zuvor. Sensationslüstern wie die Menschen sind, kamen Leute,
die sie nie zuvor im Bistro gesehen hatte. Man merkte ihnen sofort
an, dass sie auf der Suche nach einer bestimmten Aura waren, die
diesem Ort anhaften musste. Die Medien hatten viel dazu
beigetragen, dem Bistro etwas Mystisches zu verleihen.
Das war die eine Seite der Medaille.
Andererseits wusste sie nicht einzuschätzen, wie die Öffentlichkeit
- und vor allem auch die örtliche Presse - reagieren würde, wenn
sie quasi zur Tagesordnung überginge und im normalen Rhythmus
wieder eine Speed-Date-Party veranstalten würde. Vorgesehen wäre
der kommende Freitag, wie auch bereits in den Langzeit-Programmen
angekündigt. Hierüber wollte sie mit Carlo sprechen. Er war
sensibel und hatte deshalb bei Bauchentscheidungen oft ein sicheres
Gefühl, was zu tun sei.
»Was meinst du, Carlo? Sollen wir am
nächsten Freitag die angekündigte Party canceln?«
Carlo liebte diese so seltenen
Situationen, wenn Vera ihn um Rat fragte. Das waren die
Augenblicke, in denen er sich besonders zu ihr hingezogen fühlte.
Vera, die sonst so starke Frau, zeigte sich in diesen Momenten
schwach. Das gab Carlo das Gefühl, ihr näher zu sein als üblich.
Und er glaubte dann auch, sie suche seine Nähe. Oft schien sie so
unnahbar, so unerreichbar für ihn. Doch wenn sie ihn um Rat fragte,
empfand er das so, als wolle sie ihm sagen, dass sie ihn brauche.
Es waren glückliche Momente für ihn, die er auskosten wollte, denn
ganz schnell konnten sie schon wieder vorüber sein. Sich
verflüchtigen. Sich auflösen ins Nichts. Dann war der Abstand
zwischen ihnen
Weitere Kostenlose Bücher