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Gabriel oder das Versprechen

Gabriel oder das Versprechen

Titel: Gabriel oder das Versprechen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Voosen
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hatte Fassbinder veranlasst, dass alle über
den neuesten Mord informiert wurden und eine Besprechung für 19.15
Uhr im Präsidium anberaumt. Direkt nach der Tatortbesichtigung war
Fassbinder zusammen mit Marc ins Untersuchungsgefängnis gefahren,
um Lagiers Entlassung zu veranlassen. Es entsprach Fassbinders
Naturell, sich solchen Situationen persönlich zu stellen. Lagier
gegenüber drückte er sein Bedauern aus, ihn nur aufgrund der
Indizien verhaftet zu haben. Doch Lagier wirkte - wider Erwarten -
nicht wütend. Vielmehr war er froh, nicht mehr verdächtigt zu
werden und dankte Fassbinder, dass er noch am Abend selbst
vorbeigekommen war, um für seine Entlassung zu sorgen.
    *
    Bei der Besprechung war die
Sonderkommission vollständig versammelt. Fassbinder fasste die
wesentlichen Fakten zusammen und nannte als vorläufige vom
Polizeiarzt geschätzte Tatzeit die Spanne zwischen 12.30 Uhr und
13.15 Uhr.
    »Leute«, fuhr Fassbinder fort und
seine Mitarbeiter wussten in diesem Moment, dass jetzt ein
›Rund-um-die-Uhr-Job‹ für sie alle beginnen würde. »Leute, ich
will, dass wir dieses Schwein fassen!« Alle fühlten sich in ihrer
Einschätzung dessen, was vor ihnen lag, bestätigt, denn das war
nicht der Fassbinder, den sie in ihrer täglichen Routine kannten.
Das war der Terrier, von denen lange schon ausgeschiedene
Mitarbeiter erzählten, wenn sie bei Pensionärstreffen alte Geschichten wieder lebendig werden
ließen.
    »Wir treffen uns morgen früh um acht
hier im Besprechungsraum. Und macht den Leuten von der KTU Dampf
unter den Hintern. Wenn sie nicht spuren, informiert mich. Sagt dem
Doc Bescheid, morgen früh will ich den exakten Todeszeitpunkt
haben!« Es war ein einziger Rundumschlag. Keiner seiner Leute sagte
ein Wort. »Svea, Marc und Phillip«, er schaute kurz hoch, wie um
sich zu vergewissern, dass sie noch da waren, »ihr kommt gleich in
mein Büro. Ich will mit euch noch die Vorgehensweise für morgen und
das kommende Wochenende besprechen!« Das waren nicht die üblichen
Bitten, in die er seine Aufträge sonst einzuhüllen pflegte. Das
waren Befehle, die keinen Widerspruch duldeten. »Die Anderen können
nach Hause gehen. Ich kann's nicht ändern. Macht euch auf ein
arbeitsreiches Wochenende gefasst. Auch wenn Pfingsten ist. Dann
bis morgen.« Damit schnappte er sich seine Unterlagen und eilte in
sein Büro.

 
    42
    Polizeipräsidium Wuppertal, Freitag,
29. Mai, 8.00 Uhr
    Noch am Abend zuvor war auch Dr.
Wehmayer von Fassbinder persönlich über den neuesten Mord
informiert worden. Morgens acht Uhr war nicht seine Zeit, zu der er
üblicherweise seinen Arbeitstag begann. Heute jedoch hatte er es
sich nicht nehmen lassen, der so früh angesetzten Besprechung
beizuwohnen. Gemeinsam mit Fassbinder und dem Polizeiarzt Dr.
Brandt, der eine Nachtschicht eingelegt hatte, saß er vorne am
Tisch. Die ›SoKo Gabriel‹ war vollständig erschienen, die meisten
sogar deutlich vor dem vereinbarten Termin.
    Im Gegensatz zum gestrigen Abend
wirkte Fassbinder nicht mehr so übel gelaunt. Er hatte sich selbst
klar gemacht, dass der so sehr herbeigesehnte Erfolg nur würde
eintreten können, wenn jetzt alle kühlen Kopf bewahrten und jeder
sein Maximum einbrächte. Das bei seinen Mitarbeitern abzurufen,
konnte nur gelingen, wenn er selbst als Vorbild voranginge. Und
dazu gehörte, ihnen Vertrauen entgegenzubringen und geduldig zu
sein. »Guten Morgen. Nein, das ist er ganz und gar nicht… ein guter
Morgen. Aber wir werden die nächsten Tage zu guten Tagen machen,
indem wir systematisch Spur für Spur verfolgen, bis wir auf der
richtigen Fährte sind. Und dann haben wir ihn!« beendete er seine
kurze Begrüßung, die einem Appell glich.
    »Wie sieht's aus Doc?« wandte er
sich an den Polizeiarzt. »Todeszeitpunkt?«
    »Ziemlich genau 13.00 Uhr, plus
minus zehn Minuten«, begann er seine Ausführungen und wirkte
seltsam aufgeregt. »Sie erinnern sich an die Hämatome im Gesicht
der Toten. Sie stammen von Faustschlägen
unmittelbar vor dem Todeseintritt. Und zwar von - mit
Gummihandschuhen überzogenen - Fäusten. Wir haben entsprechenden
Abrieb feststellen können.«
    »Aber wieder keine DNA?«
    »Doch, männliche DNA-Merkmale!« Der
Satz schlug ein wie eine Bombe. Unruhe machte sich breit. »Wieso
das, wenn er doch Handschuhe trug?« fragte Fassbinder
erstaunt.
    »Dieses Mal hat das Opfer sich
offensichtlich gewehrt. Wahrscheinlich hat die gut durchtrainierte
Frau den Täter, nachdem er sie vom Stuhl losgebunden

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