Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gabriel

Gabriel

Titel: Gabriel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Killough-Walden
Vom Netzwerk:
Usern in den anderen Cottages konkurrieren. Aber mitten in der Nacht klappte es vielleicht schneller, und sie sehnte sich schon so lange nach zwischenmenschlichen Kontakten.
    Sie schaltete den Laptop ein. Während sie wartete, durchsuchte sie die Küchenschränke und fand Toastbrötchen, Schwarze Johannisbeermarmelade, schottischen Käse, Haferkekse mit Haselnüssen und mehrere Teesorten. Wenigstens konnte sie ihren Schlafmangel mit einer reichhaltigen Mahlzeit ausgleichen.
    Sobald die Verbindung hergestellt war, öffnete sie ihr E-Mail-Fach. Zweiundsiebzig Nachrichten, einunddreißig von ihrem Studienberater. Prompt schnellte ihr Blutdruck hoch. Zuerst öffnete sie die letzte Mail von Dr. Larowe.
     
    Um Himmels willen, wo steckst du, Juliette? Lambent ist schon auf dem Weg zu dir. Heute Morgen rief mich sein Assistent an. Ich muss dich warnen: Lambent will dich kennenlernen, also sei bereit und NETT! Bitte, bitte, lass mich wissen, ob du meine Nachrichten bekommen hast, schon ein kurzes Lebenszeichen reicht.
    Alles Liebe, Kindchen.
    Tony
     
    Verwirrt starrte sie den Bildschirm an. »Lambent kommt zu mir?«, wisperte sie. Wohin genau? Nach Harris?
    Voller Unbehagen las sie das Datum der Mail. Vorgestern. Sie stöhnte und strich sich frustriert durch ihr wirres Haar. Nach einem weiteren dramatischen Seufzer lehnte sie sich auf der Couch zurück. Im Tumult der letzten Ereignisse hatte sie ihren Vertrag mit Lambent ganz vergessen. Einmal pro Woche sollte sie einen seiner Mitarbeiter treffen. Offenbar hatte sie den ersten Termin verpasst, und jetzt machte sich der Medienmogul wahrscheinlich Sorgen.
    Das war gar nicht gut. Sie musste ihren Studienberater anrufen. Oder Lambents Büro und herausfinden, wo er sich gerade befand.
    So, wie es aussah, würde sie ihren Tee kalt trinken.

11
    Eine Zugfahrkarte von Ullapool nach Inverness zu lösen war einfacher, als sie vermutet hatte. Das musste man Schottland zugutehalten: fast alle Einheimischen waren freundlich und hilfsbereit. Auf dem Bahnhof hatten ihr einige Reisende die ganze Prozedur erklärt. Nun saß sie in einer Sitzreihe, unter ihrer Reisetasche, die sie rutschfest im Gepäcknetz verstaut hatte. In Inverness würde sie umsteigen und nach Glasgow weiterfahren, zu ihrem Treffen mit Lambent.
    Um diese Tageszeit, am frühen Sonntagmorgen, herrschte kein allzu reger Reiseverkehr, und sie hatte den Wagen für sich allein. Sie fühlte sich wie Harry Potter, wenn die Servierwagen mit Tee, Suppe und Keksen vorbeikamen. Hier gab es keine Bertie Botts Every Flavour Beans, die Geleebonbons, die er so gern mochte. Aber wenn Juliette aus dem Fenster schaute und die Hügel betrachtete, konnte sie sich die Türme von Hogwarts unschwer vorstellen. Das lenkte sie von dem Angriff im Hotelzimmer, von ihren neu entdeckten Talenten und der beklemmenden Frage ab, was um alles in der Welt sie bedeuten mochten. Aber im Zug war ihr Gefühl eines schmerzlichen Verlustes und wehmütiger Erinnerungen stärker ausgeprägt als beim Autofahren. Vielleicht, weil sie jetzt untätig die Landschaft und die verfallenen Schlösser vorbeiziehen sah.
    Reglos saß sie da, von Erinnerungen heimgesucht, die sie gar nicht hätte haben dürfen. Der Anblick einer alten Kirche jagte einen Schauer über ihren Körper. Über eine rot gestrichene Tür huschte ein Schatten und stimmte Juliette traurig. Ein Pfad führte in einen dunklen Wald und weckte in ihr den plötzlichen Wunsch, aus dem Zug zu springen und zwischen die hohen Bäume zu laufen. Beinahe empfand sie es als frustrierend, dass ihr dieses Land so beharrlich Erinnerungen suggerierte.
    »Wie ich sehe, fühlst du dich unserem schönen Schottland verbunden«, erklang eine tiefe Stimme hinter ihr.
    Nur ganz leicht zuckte sie zusammen, drehte sich um und starrte Gabriel Black an, den Mann, der sie im Pub geküsst, vor dem Fremden gerettet und bis vor wenigen Stunden im Gefängnis gesessen hatte. Er war ganz in Schwarz gekleidet. Sein welliges rabenschwarzes Haar hob sich kaum von dem Lederkragen seiner Jacke ab. In seinen silbernen Augen funkelten Geheimnisse.
    Weil Juliettes Zunge an ihrem Gaumen klebte, brachte sie kein Wort hervor. Gabriels Duft wehte zu ihr, Sandelholz und Zedern und Kaminfeuerrauch, Bilder aus ihrem Traum erschienen in ihrer Fantasie. Völlig erschlafft lagen ihre Finger auf dem Tablett vor ihrem Sitz, unbewusst presste sie die Beine zusammen. Ihre Unterlippe begann zu zittern.
    Schließlich stammelte sie: »B … Black.«
    Gabriel

Weitere Kostenlose Bücher