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Gabriel

Gabriel

Titel: Gabriel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Killough-Walden
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Licht auf, und er fühlte sich aufs Übelste betrogen. Daniel hat mich getäuscht, dachte er grimmig. Die ganze Zeit hat er seine wahre Begabung verborgen, und nun hat ihm diese besondere Fähigkeit das Leben gerettet.
    Kevin senkte den Kopf und ballte die Hände zu Fäusten. Inständiger denn je wünschte er, Daniel möge gefunden werden. Keiner der Adarianer konnte Ereignisse an anderen Orten der Welt beobachten. Die Existenz einer solchen Gabe war nur eine Legende bar jeder Grundlage gewesen, bis seine Soldaten herausgefunden hatten, dass einer der Erzengel sie tatsächlich besaß. Azrael verstand jeden aufzuspüren, der ihn interessierte, überall auf der Welt, solange er genug über den Gesuchten wusste. Gerade jetzt hätte der General diese Fähigkeit dringend gebraucht.
    Morael oder Mitchell, wie er genannt wurde, war telepathisch veranlagt und konnte die Gedanken der Sterblichen lesen, ja, sogar mancher Adarianer, Kevin ausgenommen. Der General vermutete, dies müsste mit der Tatsache zusammenhängen, dass Morael der erste jemals erschaffene Erzengel war und deshalb ein anderes Gehirn besaß als seine Nachfolger.
    Jedenfalls kamen Mitchells Telepathie und Lukes Befähigung, in Träume einzudringen, der ersehnten Gabe noch am nächsten. Wenn man beides kombinierte …
    Mit gefurchter Stirn überdachte Kevin diese Möglichkeit. Was mochte geschehen, wenn er die zwei Talente in sich vereinte? In der vergangenen Woche hatte er mehr über die Kräfte der Adarianer herausgefunden als in den letzten Jahrtausenden zusammen. Wovon er bisher nur geträumt hatte, erschien ihm plötzlich erreichbar. Zumindest würde ein kleines Experiment nicht schaden. Er nahm das Funkgerät vom Schreibtisch und beorderte die zwei Männer in sein Büro.
    Bald hörte er Mitchells und Lukes Schritte. Noch bevor sie anklopfen konnten, forderte er sie auf, einzutreten.
    Groß und extrem gut aussehend, wie er war, hätte Mitchell Frauen gleich reihenweise betören können. Mit seinen schwarzen Haaren und dunklen Augen war er der italienische Typ, auch wegen seiner Leidenschaft für schnelle Autos. Luke, perfekt gebaut, mit blonden Locken, hatte vor vielen Jahren dem berühmten Bildhauer Michelangelo Modell gestanden.
    Kevin erteilte den beiden seine Anweisungen. Als stets loyale adarianische Soldaten hörten sie aufmerksam zu, nickten zustimmend und verließen das Büro. Er schaute ihnen nach, dann wandte er sich zum einzigen Fenster im Raum, erfüllt von einer seltsamen Mischung aus Neugier und kalter Furcht. Jede Minute würde die Sonne sinken. Aber jetzt schwebte sie noch über dem Horizont, blendend hell und orangegelb, und erzeugte einen viel zu grellen Glanz in den Zwischenräumen der Jalousie.
    Kevin fühlte sich von ihr bedroht.
    Welch eine beunruhigende Erkenntnis. Offensichtlich musste er Ely recht geben, die Sonne störte ihn. Und nicht nur das.
    Während seine Zunge vorsichtig die Spitzen seiner überdurchschnittlich langen Eckzähne betastete, spürte er ein eigenartiges Pulsieren in seinem Schädel, wie Trommelschläge, das ihn nährte und zugleich aushungerte.
    Seit er Eillies Heilkräfte entdeckt hatte, sehnte er sich nach ihr. Seit er die Fünfzehnjährige gesehen hatte, die allmählich erblüht war, hatte er sie begehrt. Durch die Jalousie ihres Fensters hatte sie ihn mit diesen unvorstellbar blauen Augen angeschaut. Er wollte diesen Blick wieder sehen, auf seinem Bett ihren Körper unter sich spüren. Das wünschte er sich schon jahrelang.
    Aber über das Verlangen nach ihrem Fleisch, ihrer Unterwerfung und ihren Talenten hinaus empfand er nun etwas Neues: den Durst nach ihrem Blut.
     
    Juliette träumte wieder. Diesmal durchquerte sie einen Saal mit kostbaren Teppichen und Wandbehängen. Aber an manchen Stellen zerbröckelten die Mauern, durch die Ritzen drang das hohle Heulen kalter Windstöße. Bilder glitten übereinander, transparente Echos der Vergangenheit, vermischt mit der krassen Realität der Gegenwart.
    Durch gähnende Türen wehten Stimmen, Gesprächsfetzen in einem melodischen Akzent, den sie beinahe erkannte. Form- und körperlose Gestalten flogen über Juliettes Kopf hinweg, als würden sie über den Boden im einstigen oberen Stockwerk eilen, wo jetzt nur mehr grauer Nebel in der Schlossruine waberte.
    Dann stiegen ihr die Düfte von frisch gebackenem Brot und Schmorbraten in die Nase und verschwanden sofort, von salziger, feuchtkalter Meeresluft verdrängt. In Juliettes Haar wisperte der Wind und

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