Gabriel
lächelte, setzte sich ungebeten auf den Platz an ihrer Seite, und seine körperliche Nähe drohte ihre Sinne zu benebeln.
Hastig rutschte sie von ihm weg, bis ihr Ellbogen gegen die kalte Metallleiste unter dem Fenster stieß.
Sichtlich amüsiert, beobachtete Gabriel ihren Rückzug. »Wir müssen reden, Babe«, sagte er mit seinem melodischen schottischen Akzent.
»Wo … worüber?«, stotterte sie. Über den Kuss? Den Angriff in meinem Zimmer? Seine Verhaftung?
Gabriels Lächeln wurde breiter, sein Blick streifte ihren Mund, bevor er wieder in ihre Augen schaute. Dann griff er nach der Teetasse auf ihrem Tablett, nahm einen Schluck und stellte sie zurück. »Was für einen guten Geschmack du hast. Klar, du bist ja auch ein schottisches Mädchen.«
»Hör mal«, begann sie und fühlte sich dabei ein bisschen schwindlig, »ich bin dir dankbar, weil du mich vor dem Schurken in meinem Zimmer gerettet hast, aber …« Als er eine ihrer langen Locken nonchalant zwischen seinem Daumen und seinem Zeigefinger zwirbelte, vergaß sie, was sie sagen wollte. »Aber …« Von seiner Nähe abgelenkt, befeuchtete sie ihre Lippen. Die Luft ringsum schien zu knistern.
Irgendwo in der Ferne donnerte es, über dem Rattern des Zugs kaum vernehmlich. Den Kopf schräg gelegt, wartete Black, bis sie weitersprach.
»Aber ich kenne dich nicht, und du bist …« Sie verstummte wieder.
»Was bin ich, Juliette?«, fragte er leise.
Er kennt meinen Namen. Aus irgendeinem Grund überraschte sie das nicht. So unwirklich wirkte er, obwohl er direkt neben ihr saß und einer mächtigen Bronzestatue glich. Wie eine Heldengestalt kam er ihr vor, ein Traum. Du machst mir Angst.
Jetzt grollte der Donner in der Nähe des Zugs, über dem Rattern deutlicher zu hören. Unaufhaltsam zog das Gewitter heran. In Gabriels grauen Augen flackerte ein sonderbares Licht, und er neigte sich zu ihr. »Das solltest du unter Kontrolle bringen, Liebes.« Sein Lächeln nahm einen düsteren Ausdruck an. Als sie ihm auszuweichen versuchte, stieß ihr Kopf fast gegen die Fensterscheibe. »Es wird dich schwächen. Und wie willst du dich danach gegen mich wehren, Babe?«
Sie konnte kaum atmen und versuchte angestrengt zu begreifen, was er gesagt hatte, und zugleich ihre körperliche Reaktion auf seine Nähe in den Griff zu bekommen. Was sie von seinen Worten verstand, genügte vollauf, um gewaltige Adrenalinmengen durch ihre Adern zu jagen. »Was sollte ich unter Kontrolle bringen?«, wisperte sie.
»Das Gewitter, Juliette. So etwas gehört zu den Talenten eines Sternenengels, nicht wahr? Und weil das Unwetter so heftig tobt, nehme ich an, du hast diese Fähigkeit erst kürzlich entdeckt und zu selten erprobt.«
Eisiges Grauen kühlte die Hitze in ihrem Blut, die Gabriel entfacht hatte. Ihr Magen schien sich in Blei zu verwandeln. Schmerzhaft hämmerte ihr Herz gegen die Rippen. Also wusste er, dass sie das Wetter beeinflussen konnte. »Wovon redest du?«
Unentwegt lächelte er sie an. Seine Pupillen weiteten sich wie die eines Raubtiers, das seine Beute wählte. »Das weißt du genauso gut wie ich, Babe. Und ich weiß es, weil ich dich seit einer halben Ewigkeit gesucht habe. Keine Ahnung, wie viele Jahre.«
Ringsum verschwamm die Welt, alles bewegte sich im Zeitlupentempo, während Gabriel eine Hand hob und Juliettes Wange berührte. Sie fühlte sich gefangen und vereinnahmt und begehrt und geliebt und schöner denn je zuvor. Und ihr Körper reagierte, als würde sie ihn dringender brauchen als alles andere auf der Welt. Er umfasste ihre Hand so behutsam, als hielte er einen kostbaren, zerbrechlichen Schatz fest. In seinen Fingern spürte sie ein Zittern, obwohl seine Stimme so ruhig geklungen hatte, wie eine Antwort auf ihre chaotischen Herzschläge und das heftiger werdende Unwetter vor den Fenstern des Zugs.
Jetzt beugte er sich noch näher zu ihr. Die nächsten Worte flüsterte er an ihrem Mund. Sein Atem erinnerte sie an Minze und Parmaveilchen. Sie liebte Parmaveilchen. »Nur für mich wurdest du erschaffen, Juliette.« Besitzergreifend und zugleich verführerisch strich er über ihre volle Unterlippe. Das Silber seiner Augen verwandelte sich in Quecksilber und reflektierte die Blitze, die draußen aufflammten. »Wie könnte ich sonst so viel über dich wissen?«
Kopfschüttelnd erwiderte sie seinen eindringlichen Blick. »Das alles verstehe ich nicht.« Gar nichts konnte er wissen. Es war einfach verrückt. Mit ihren merkwürdigen Fähigkeiten musste
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