Gabun - Roman
die Köpfe. Sahen die Maschinen davonfahren, die schwarzen Typen mit Sonnenbrillen darauf, mit Stirnbändern und Lederwesten über den nackten Oberkörpern. Die flatternden Bänder an den Lenkern. Am Heck der hinteren Maschine bauschte sich eine schwarze Totenkopfflagge, so groß wie ein Leichentuch.
Wir sprachen nicht darüber. Es war ein böser Traum. Ich sah Felicité an, dass ihre Einschätzung der Begegnung keine gute war, und mir war es nicht anders gegangen. Wir versuchten einfach, es zu verdrängen.
Zehn Minuten später kam ein Lastwagen um die Kurve. Wir stellten uns an die Straße, ich setzte programmgemäß De Vries’ Hut auf. Felicité hob den Daumen, und der Laster hielt. Insofern klappte erst mal alles. Der dunkelhäutige Fahrer, leider kein Chinese, ließ uns einsteigen, fragte noch nicht einmal, wohin wir wollten, sondern nickte nur mit dem Kopf und fuhr los. Begleitet von pfeifender Ju-Ju-Musik aus dem Radio rollten wir Richtung Norden. Der Fahrer, Anfang zwanzig vielleicht, eine dünne Goldkette um den Hals und sehr einsilbig, lenkte den Truck umsichtig durch die Schlaglöcher. Ab und zu traf ein scheuer Blick Felicité, die neben ihm saß, dabei tauchte seine fast schwarze Iris im Weiß der Augen auf, einem Weiß mit braunem Rand. Felicité erzählte ihm langatmig unsere ausgedachte Geschichte, obwohl selbst mir klar wurde, dass das gar nicht erforderlich war. »Oui« oder ein Nicken, mehr brachte unser Chauffeur nicht zustande.
Wir fuhren durch eine ausgetrocknete Landschaft, überall rechts und links der Straße standen Büsche, gelb bepudert von den Staubwolken der Lastwagen wie von einem Blizzard. Mittlerweile schwiegen wir alle drei, unsere Köpfe wackelten im gleichen Takt, wenn der Lastwagen durch die Bodenwellen schaukelte. Hitze strahlte vom Kabinendach ab, drang durch die halb verhängte Windschutzscheibe. Die heiße Luft, die durch die offenen Fenster hereinblies, kühlte nicht.
Nach einer Weile stellte Felicité dem Fahrer eine Frage, in ihrem schnellen Französisch, dem sie einen kehligen Ton beimischte, einen Lokalton sozusagen, vielleicht um den Mann nicht misstrauisch zu machen. Zweimal hörte ich das Wort »moto« heraus. Die Augen des Fahrers weiteten sich. Er nickte, er hatte verstanden. Aber er sagte nichts. Erst als Felicité noch einmal nachfragte, wieder einen Satz mit »moto« formulierte, sagte er ein Wort. Nur ein Wort, das ich aber – was ich in diesem Augenblick noch nicht wusste – nicht mehr vergessen sollte.
»Botoko«, sagte er.
Er sprach das Wort sehr leise, die Silben tropften nacheinander aus seinem Mund, ein Hauch von Angst lag dazwischen. Botoko. Felicité sah mich an, zuckte mit den Schultern.
Der Fahrer griff an den Radioknopf, drehte die zupfende Musik lauter, kein Gespräch mehr möglich. In den Musikpausen lärmte der Moderator, riss Schnellfeuerwitze oder regte sich über irgendetwas auf, vom Stakkato seines Französisch verstand ich kaum ein Wort. Danach begann wieder die tropfende, quiekende Musik, komponiert nach den Tönen des nächtlichen Urwalds.
Nach etwa zwei Stunden Fahrt tauchten neben der Fahrbahn große Löcher auf. Leute hockten am Rand der Löcher, Leitern ragten heraus. Eimer, Kiepen, Bütten standen daneben. Es wurden immer mehr Löcher, alle waren sie bevölkert von Menschen, die heraus- und hineinkletterten, als seien sie erdbewohnende Ameisen und bauten an einer unterirdischen Kolonie. Einige schleppten über die Leitern Traglasten voller Geröll aus den Löchern heraus, andere füllten den Inhalt in die Behälter und Säcke, die überall herumstanden. Kaum jemand sah auf, als der Laster vorbeifuhr.
Schließlich erreichten wir eine Ansiedlung, die im Wesentlichen aus ein paar Schuppen und einer Menge Zelte bestand, die teilweise mit Plastikplanen geflickt waren. Sie sahen aus, als habe man einen Campingplatz ein paar Tage lang einem Staubsturm ausgesetzt. Auch zwischen den Zelten konnte man große Löcher in der Erde erkennen. Zwei Hühner liefen gemächlich vor uns über die Straße, bei unserem Tempo hatten sie nichts zu fürchten. Feste Gebäude gab es nicht, nur die wellblechgedeckten Schuppen. Hier und da ging jemand, verschwand zwischen den Zelten, die man um die Löcher herum aufgestellt hatte, in denen gearbeitet wurde. Niemand sah sich nach unserem Lastwagen um, der durch das Zeltlager rollte und nun zwischen zwei größeren Schuppen anhielt. Der Fahrer blickte Felicité an und sagte etwas, zwei Worte. Sie antwortete
Weitere Kostenlose Bücher