Gabun - Roman
Es stammte vermutlich von einem Wirbeltier, nicht von einem Arthropoden. Ich mümmelte es weich und schluckte es herunter. Anschließend rappelten wir uns wieder hoch.
Nach einer weiteren Stunde wechselte die Vegetation. Der Wald wurde lichter. Wir gelangten in ein von Büschen bewachsenes welliges Gelände, in dem Azik das Tempo verringerte. Ab und zu bedeutete er uns zu warten. Dann ging er voraus, sah sich um und winkte uns, nachzukommen. Er wirkte angespannt.
In dem Buschland war es leichter, voranzukommen, nur das Gras war hart und schnitt in die Haut, wenn man daran entlangstreifte. Meine Stiefel, die noch immer hielten, kamen mir sehr zupass, aber Felicité musste eines der T-Shirts aus unserem Gepäck zerreißen und es um ihre Beine wickeln, um sich vor den Grashalmen zu schützen. Das bleischwere Gewehr trugen wir abwechselnd. Es machte mir Kopfzerbrechen, weil man es nicht verstecken konnte wie die Diamanten. Schon von Weitem würde man es sofort als das erkennen, was es war. Ich wollte mir gar nicht vorstellen, was passieren würde, wenn wir damit in eine Ansiedlung einmarschierten, in der beschäftigungslose junge Männer mit Geschäftssinn auf Gelegenheiten warteten.
Auf einer Anhöhe winkte Azik uns zu sich heran. Er wies nach Osten, wo das wellige Gelände allmählich abfiel. Dort sah man zwischen Hunderten von dunkelgrünen Büschen, die sich über ein paar Quadratkilometer verteilten, ein dünnes, helles Band. Die Straße. Zwei Lastwagen krochen auf ihr entlang wie verirrte Raupen. Sie zogen lange Staubfahnen hinter sich her.
»The road«, sagte Azik, hob die Brauen und zog Luft durch die Nase ein, als habe er stattdessen gesagt: »Der Feind.« Wir rasteten und aßen den Rest unserer Wegzehrung. Azik teilte uns mit, er werde hier umkehren.
»Look Chinaman«, sagte er. »Talk to Chinaman driver. Not black driver.«
Mit dieser Empfehlung verließ er uns. Er tippte mit seinem Zeigefinger einen Gruß gegen die Schläfe und verschwand leichtfüßig zwischen den Büschen, auf immer.
Wir sahen uns an, Felicité und ich, wandten dann den Blick zur Straße. Sagten nichts, für eine Zeit, die mir lang vorkam.
»Was machen wir jetzt mit den Diamanten?«, fing ich an.
»Es gibt drei Möglichkeiten«, sagte Felicité.
»Runterschlucken, meinst du?«, sagte ich. »Ist dir klar, dass es zweiundzwanzig Diamanten sind, so groß wie Haselnüsse?«
»Das ist mir klar«, sagte Felicité. »Ich sagte: drei Möglichkeiten. Runterschlucken ist nur eine davon.«
Vielleicht baute mein Gehirn noch Ibogain ab, oder die Strapazen des dreistündigen Gewaltmarsches mit Azik hinderten mich am Denken. Ich zuckte die Achseln.
»Tut mir leid, ich kapier’s nicht«, sagte ich.
»Versteck Nummer eins«, sagte Felicité, »ist dein Fetisch in der Plastiktüte dort. Affen haben ein ziemlich großes Gehirn. In den Schädel da passen elf Diamanten rein. Ich habe es ausprobiert. Sie sind schon drin.«
Ich spürte ein Würgen im Schlund. Ein Bild war aufgetaucht, das ich nicht sehen wollte. Es zeigte Felicité dabei, wie sie Diamanten in die Hinterhauptöffnung eines stinkenden Makakenschädels drückte. Ich verschob es schnell in eine unbeleuchtete Ecke meines Bewusstseins.
»Schlau«, würgte ich heraus. »Bleiben noch zehn.«
»Denk mal über die menschliche Anatomie nach, Bern’.«
Ein kühler Blick von ihr, ein wenig Spott darin.
»Zwei für dich, acht für mich«, sagte sie. »Ich gebe zu, ich bin da im Vorteil.«
Mir fiel erst mal nichts dazu ein. Auch dann nicht, als ich es schließlich kapiert hatte. Andere Möglichkeiten gab es nicht. Sie zu schlucken hätte uns unberechenbaren Folgen ausgesetzt.
Wir tranken unser restliches Wasser, ehe wir, jeder diskret hinter einem eigenen Busch, mit dem Verstecken anfingen. Danach öffnete ich meine Tasche und holte die Tengelmann-Tüte heraus. Ich wollte sehen, was Felicité mit dem Schädel angestellt hatte. Eine Explosion aus Gestank kam zusammen mit dem Schädel heraus, es war, als hätten sich Tod und Pestilenz darin konzentriert über die Tage, in denen der Schädel nicht ungehindert seinen Aasgeruch verbreiten durfte. Ich drehte den Schädel in der Tüte, dabei hielt ich den Atem an, bis das mit Dreck verkleisterte Hinterhauptloch erschien. Dann ließ ich das Ekelding fallen, trat fünf Schritte zur Seite und holte tief Luft. Felicité kam hinter ihrem Busch hervor. Sie strich sich die Shorts glatt und grinste zu mir herüber.
»Eine sichere Sache«, sagte sie und
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