Gabun - Roman
jemand, Maka oder wer sonst mir übel gesonnen war, glühende Schaschlikspieße hindurchgetrieben.
»Gepackt?«, echote ich, unfähig, etwas Eigenes von mir zu geben.
»Gepackt«, bestätigte Felicité. »Unsere Sachen. Auch deinen Fetisch übrigens. Wir haben ihn zusammen aus dem Wald geholt, M’bale und ich.«
Sie betrachtete die Fingernägel an ihrer ausgestreckten rechten Hand, sie waren noch immer atemberaubend mandelförmig und ziemlich sauber, alle fünf.
»Grand-mère meinte, wir würden das Ding noch brauchen.« Felicité schenkte mir ein Lächeln. »Sie wusste übrigens, dass du was mit Ameisen zu tun hast, stell dir vor. Sie hat gesagt, der Mann, der die Ameisen zählt, braucht ihn. Der Mann, der die Ameisen zählt. Könnte das nicht ein neuer Name für dich sein, Bern’?«
Ich schloss die Augen. Es tat weh, Felicité anzusehen.
»Wo habt ihr mich gefunden?«, stöhnte ich. Jedes Wort strengte mich an.
»Das war nicht schwierig«, sagte Felicité. »Wir haben dich gar nicht gesucht. Du bist aufgestanden, weil dir schlecht war, und zwanzig Meter vom Feuer entfernt umgefallen. Das nehme ich jedenfalls an, da hast du nämlich gelegen. M’bale hat dich gesehen und mich geholt. Zusammen haben wir dich dann in die Hütte gebracht. Du hast nichts davon gemerkt?«
Ich versuchte, den Kopf zu schütteln, ließ es aber gleich wieder bleiben, wegen der Schaschlikspieße, die darin steckten.
»Nein«, sagte ich mit großer Mühe. »Nichts.«
»Interessant«, sagte Felicité. »Ibogain erzeugt eigentlich nur intensive Träume. Eine Überdosis kann allerdings einen Herzstillstand verursachen. Du hast es ganz gut überstanden«, stellte sie fest. »Iss noch was, bevor wir losgehen. M’bale sagt, es sind gut vier Stunden durch den Wald. Näher wollen sie nicht an die Straße heran. Du kannst dir denken, warum?«
Ich konnte es mir denken.
Unter Schmerzen begab ich mich nach draußen. Es war noch etwas lauwarme Brühe übrig von gestern, dazu bot man uns ein Bananenblatt voller gebackener Insektenlarven an. Ich hatte wieder Hunger und aß drei davon. Versuchte, beim Kauen nicht einzuatmen: nur die Nährstoffe aufnehmen, nicht den Geruch. Felicité, M’bale und Azik aßen mit Appetit den Rest.
Ehe wir aufbrachen, versuchte ich, M’bale De Vries’ Gewehr anzubieten. Ich tat es aus Höflichkeit, ohne zu glauben, dass er es annehmen würde, was er auch nicht tat. Immerhin schien er die Geste zu schätzen: »Bon fusil«, sagte er bedauernd und klopfte auf den gemaserten Schaft. »Élépha’«, fügte er hinzu und deutete auf die in Gold eingelegten Seitendeckel: »White Hunter.« Dann schüttelte er den Kopf und lachte ein letztes Mal sein Eckzahnlachen. Reichte mir das Gewehr zurück.
Azik legte ein Tempo vor, das mir von Anfang an keine Wahl ließ. Entweder riss ich mich zusammen, oder ich fiel um und blieb für den Rest des Tages liegen. Er trug eine Adidas-Sporthose und ein T-Shirt mit einem verblichenen Werbelogo auf der Rückseite, es zeigte einen amerikanischen Weißkopfseeadler, der eine Dollarnote in den Fängen hielt. Ich starrte auf den Adler mit der Dollarnote und stolperte hinter ihm her, als wäre ich mit einem Seil an Azik befestigt. Dabei dachte ich an Keynes, der sagte, man könne eine Schnur nun mal nicht schieben, um abhängige Prozesse zu kennzeichnen, und gab Keynes recht. Ich wäre sofort zusammengebrochen, wenn man versucht hätte, mich auf dem Urwaldpfad entlangzuschieben. Einem Pfad, den nur Azik erkannte, der zwar eine Machete bei sich hatte, sie aber nicht brauchte, weil er sich durch den Busch hindurchbewegte, als weiche alles vor ihm aus.
Ich also an der Schnur von Azik, und hinter mir ging Felicité, mit einer Energie, die ich nur bewundern konnte. Frauen, dachte ich, sind zu Dauerleistungen einfach besser geeignet als Männer. Skilangläuferinnen, Kanalschwimmerinnen, alleinerziehende Mütter. Die Schaschlikspieße in meinem Gehirn, die nur langsam herausfielen, erlaubten mir nicht, die Liste zu komplettieren.
Erst nach zwei Stunden gönnte uns Azik eine Pause.
»Stop here«, sagte er.
Uns zuliebe oder um seine Weltläufigkeit zu beweisen, sprach er Englisch, allerdings nur sehr wenig. Ich fiel einfach um, weil die Schnur schlaff geworden war. Bekam zu trinken von Felicité, dazu zwei kleine Bananen und etwas wie einen Hundeknochen von Azik. Ich nahm es in den Mund, es schmeckte wie getragener Schuh. Beim Kauen erkannte mein Sensorium, dass es eine Art Trockenfleisch war.
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