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Gabun - Roman

Gabun - Roman

Titel: Gabun - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meinrad Braun
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brachte alles zurück, was ich an zivilisatorischer Dekadenz verloren geglaubt hatte. Er schmeckte nach Fritten bei McDonald’s, nach regennassem Bürgersteig im Mai und nach einem Sommerabend auf dem Savignyplatz. Überwältigend. Ich schloss die Augen.
    »Santé«, sagte Felicité neben mir. »Das haben wir lange nicht gehabt.«
    Ich nickte und stieß meine Flasche gegen ihre. Nicht so lange, ein paar Tage nur. Aber dazwischen lag einiges.
    »Danke«, sagte ich anschließend zu dem Jungen, der über dem Tresen lehnte und uns hinter seiner Sonnenbrille beobachtete. Er wiegte sich wieder leicht in den Schultern hin und her, die Ellbogen noch immer aufgestützt.
    »Kein Problem. Überhaupt kein Problem«, sagte er. »Was habt ihr denn so vor?«
    »Wir hatten einen Unfall«, sagte Felicité. »Unsere Freunde versuchen, das Auto wieder flottzukriegen, aber wir wollten schon mal sehen, ob wir einen Mechaniker finden. Gibt’s hier jemanden, der einen Geländewagen reparieren kann?«
    Der Junge öffnete den Kühlschrank und holte sich eine Dose Bacardi-Cola heraus, knackte sie auf und stellte sie vor sich auf den Tresen.
    »Kommt darauf an«, sagte er. »Was für’n Wagen ist das?«
    »Mitsubishi«, sagte ich.
    »Welcher Typ?«, wollte der Junge wissen.
    »Weiß ich auch nicht«, sagte ich. »So ein Pick-up, hundertfünfzig PS oder so.«
    »Hundertfünfzig PS «, wiederholte der Junge. »Ein Pick-up.«
    »Na ja«, sagte ich. »Ist ja auch nicht so wichtig. Ich denke, ein Mechaniker kriegt das wieder hin. Irgendwas mit dem Motor.«
    »Diesel oder Benziner?«
    »Diesel«, sagte ich.
    »Gibt’s nicht«, sagte der Junge. »Gibt keinen Diesel mit hundertfünfzig PS von Mitsubishi als Pick-up.«
    Er trank einen Schluck aus seiner Dose. Idiot, dachte ich.
    »Wie weit ist es zur nächsten Stadt?«, fragte Felicité.
    »Kommt darauf an«, sagte der Junge.
    »Wie viele Kilometer?«
    »Na, hundert oder hundertfünfzig vielleicht. Je nachdem, wie ihr dahinfahren wollt. Mit ’nem Laster oder mit ’nem Motorrad oder mit ’nem Pick-up von Mitsubishi, der ’n Diesel ist und hundertfünfzig PS hat. Was habt ihr da eigentlich für’n Gewehr?«
    »Ich denke, wir fahren mit einem Laster. Sicher nimmt uns bald jemand mit.«
    »Sicher«, sagte der Junge. »Vielleicht morgen.«
    »Wieso morgen?«
    Der Junge schlenkerte den linken Unterarm mit einer affektierten Bewegung in Augenhöhe und sah auf eine dicke Uhr mit einem Metallgliederband.
    »In einer halben Stunde ist es dunkel. Der Truck vorhin war der letzte. Die fahren nicht, wenn’s dunkel ist.«
    »Vielleicht fährt sonst jemand«, sagte ich.
    »Vielleicht«, sagte der Junge. »Vielleicht auch nicht.«
    Er lachte, trank die Dose aus und warf sie mit der gleichen Bewegung, mit der er sie vom Mund nahm, irgendwohin unter den Tresen.
    »Ihr habt ’n Problem, schätze ich«, sagte er.
    Dazu gaben wir keinen Kommentar. Ich hätte mir nichts mehr gewünscht als einen Zwanzig-Dollar-Schein, um die Dinge in Gang zu bringen, aber den hatten wir nicht. Mit meinen Euromünzen brauchte ich hier erst gar nicht anzufangen. Ich sah Felicité an. Sie hatte die Unterlippe vorgeschoben, sagte nichts. Kein gutes Zeichen. Der Junge wiegte sich am Tresen hin und her und beobachtete uns.
    »Wo sind wir hier eigentlich?«, wandte ich mich an ihn.
    »Trouville«, sagte der Junge. »Hier gibt’s nur Löcher.« Er kicherte gaumig.
    Ich verstand ihn nicht, machte ein entsprechendes Gesicht.
    »Die blaue Scheiße«, sagte der Junge. »Aus den Löchern kommt die blaue Scheiße. Ist genug davon da. Jeder kann mitmachen. Ihr könnt auch mitmachen.« Mit einer gönnerhaften Geste wies er auf die Straße. »Gibt noch ’n paar Zelte. Ich leih euch eins. Dann könnt ihr morgen mit rausgehen und die Scheiße aus dem Dreck kratzen.«
    »Kobalt«, sagte Felicité, »oder?«
    »Die blaue Scheiße«, sagte der Junge. »Genau. Wie war das noch mit dem Gewehr, das ihr da habt? Wart ihr auf der Jagd? ’nen Elefanten umgelegt oder ’n Rhino? Für das Horn von dem Rhino kriegt ihr ’nen Tausender von den Chinamännern.«
    »Sind hier Chinesen?«
    »Überall sind Chinesen, Mann«, sagte der Junge. »China wird die Welt regieren. Also sind die Chinesen schon mal hier, um sich die Welt anzusehen.«
    »Und wo? Wo sind sie, die Chinesen?«
    »Ja, wenn man das immer wüsste«, sagte der Junge.
    Er holte ein Päckchen Zigaretten aus der Hosentasche. Klopfte sich eine Zigarette raus und steckte sie sich an. Warf uns einen

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