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Gabun - Roman

Gabun - Roman

Titel: Gabun - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meinrad Braun
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schwarzen Stahlhelm mit einem weißen Totenkopf an der Stirnseite. Seine tätowierten Arme von der Masse zweier Vorderschinken lagen nebeneinander auf dem Tisch, sie flankierten den Teller, von dem Felicité gerade aß, sehr manierlich aß, wie es eben ihre Art war. Der Dicke starrte sie mit halb offenem Mund und einem Ausdruck an, als habe er sie gerade auf dem Sklavenmarkt erworben und könne sein Glück nicht fassen. Bei meiner Ankunft wieherte er unmotiviert los, ließ die Faust auf den Tisch krachen, dass ein paar herumstehende Bierdosen herunterhüpften, und schrie seinem Gesellen Worte in einer kehligen Sprache zu, die weder dem Französischen noch dem Englischen auch nur annähernd ähnlich war.
    Draußen vor dem Kneipenschuppen hatten sie ihre Motorräder abgestellt, illuminiert von der Gaststättenbeleuchtung. Mit hohen Lenkern aufgemotzte Maschinen, an denen ich vor ein paar Stunden, als sie an uns vorbeigefahren waren, etwas hatte hängen sehen, was ich für Bänder gehalten hatte. Jetzt konnte ich erkennen, dass Lenker und Gestänge der beiden Maschinen mit weiblicher Unterwäsche verziert waren. Slips und Büstenhalter in jeder Größe und Farbe waren daran geknotet.
    Ungefragt setzte ich mich neben Felicité. Etwas in mir gab auf, wurde stoisch. Ich suchte nur noch ihre Nähe. Ich würde mit ihr zusammen zugrunde gehen. Sie sah nicht zu mir herüber, presste die Lippen zusammen und starrte auf den Tisch, auf dem der Teller mit den Pommes frites stand, noch halb voll. Der Junge, der uns an die Burschen verkauft hatte, war nirgends zu sehen.
    Der Riese mit dem Zopf hatte inzwischen De Vries’ Gewehr aus dem Futteral gezogen und legte es auf den Tisch. Die beiden Typen staunten es an. Der Fette lachte ein emotional labiles Falsettlachen, der andere knurrte ein paar abschätzig klingende Worte, die sich auf die Waffe zu beziehen schienen. Dann bekam ich einen Stoß in den Rücken, der mir die Luft nahm.
    »Bullets?«, knarzte der großgewachsene Stutzer hinter mir. Er sprach in einer Tonlage, als halte man den Finger gegen ein laufendes Tonband. »No bullets?«
    Ich sagte ihnen, dass sich die Patronen in unserem Gepäck befänden. Der Bezopfte fluchte fremdsprachig vor sich hin und stiefelte los, unser Gepäck zu holen. Mit Felicité zu reden traute ich mich nicht. Sie schien in eine Starre verfallen zu sein, die Mitteilungen nicht mehr zuließ, sie wirkte, wenn man es positiv ausdrücken wollte, sehr konzentriert. Wir hatten kaum noch etwas zu verlieren, wenn man von zwei Dutzend Diamanten absah, die sich teilweise an den delikatesten Stellen befanden und von denen die beiden Typen hoffentlich noch nichts ahnten.
    »Was passiert mit uns?«, sagte ich auf Englisch zu dem Dicken.
    Ich hatte schon damit gerechnet: Er ließ sein Fett lachend erzittern und endete in einem Glucksen, wozu er mir die Zunge herausstreckte und mit seinem Doppelkinn vielsagend auf Felicité wies. Dazu machte er eine obszöne Geste mit dem Mittelfinger.
    »Non s’amuse«, kicherte er. »You go with us«, sagte er dann, polyglott wie sein Gefährte. »Our camp.«
    Nach dieser Ankündigung fischte er ein Handy aus der Tasche, lehnte sich zurück und fotografierte uns. Der Blitz traf Felicité, die stumm und apathisch vor dem halb aufgegessenen Teller mit Fritten saß, und mich, der ich hungrig und auf alles gefasst neben ihr hockte.
    Dann tippte der Kerl eine Nummer ein. Als sein Komplize zurückkam, unsere Taschen am Arm, hatte der Dicke Verbindung und schnatterte ein paar Sätze heraus. Unsere Sachen flogen neben mir auf den Boden. Ich bückte mich unaufgefordert, um die Patronen herauszusuchen. Währenddessen hörte ich den Dicken ein paarmal »oui« sagen, wieder »oui« und so weiter. Er führte ein Gespräch, bei dem er eine positive Grundhaltung zu vermittelten suchte, vermutlich ein Vorgesetztengespräch, bei dem er Instruktionen erhielt.
    »Oui, tout de suite«, schloss der Dicke.
    Fast genauso schnell konnte ich die vier Patronen auf den Tisch legen.
    »C’est tout?«, krächzte der Stutzer.
    Ich zuckte die Achseln, bejahte. Dann deutete ich, so viel Mut gaben mir der Hunger und mein Fatalismus, auf den Teller vor Felicité und meinte, ich wollte auch noch etwas essen. Ich würde sonst, aber das sagte ich nicht, dem noch weniger gewachsen sein, was auf uns wartete. Und den Hungertod wollte ich nicht sterben.
    Der Dicke lachte im Falsett, der Stutzer rollte die Augen, dann brüllte er mit einer Stimme, wie Gott einst Moses

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