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Gabun - Roman

Gabun - Roman

Titel: Gabun - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meinrad Braun
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besuchen zu dürfen, ignorierte er ebenfalls.
    Ich folgte dem Kerl durch die Nacht. Mein Herz klopfte, als wollte es sich in Erinnerung bringen, mir mitteilen, dass es noch schlug und dass es gerne weiterschlagen würde, ich möge doch bitte dafür sorgen. Das Herz ist sehr empfänglich für Bedrohungen, meines jedenfalls ist es. Grillen zirpten ungerührt in der umliegenden Nacht, ab und zu flitzten Leuchtkäfer wie Geschosse vorbei. Wir gingen auf ein verschlossenes Zelt zu. An den Verbindungsstellen, dort, wo die Stoffstücke verknüpft waren, drang Licht heraus. Der Riese schlug die Plane am Eingang zurück. Ich ging hinein, rang um Fassung.
    Ich hatte eine Hinrichtungsstätte oder eine Räuberhöhle erwartet, stattdessen betrat ich ein improvisiertes, aber sehr aufgeräumtes Büro. Der ungehobelte Kerl mit der Kette blieb draußen stehen. Von einem Schreibtisch erhob sich ein schlanker Mann, auch er in einem Camouflage-Anzug wie draußen die Soldaten, ein blaues Barett unter die Achselklappe gesteckt. Seine polierten Stiefel schimmerten im Licht der Gaslampen, die in dem Zelt aufgehängt waren. Mit einem Lächeln kam er auf mich zu und streckte mir die Hand entgegen.
    »Herr Jesper«, sagte er zu meiner Überraschung auf Deutsch. »Guten Abend. Mein Name ist Duvalle. Möchten Sie einen Kaffee?«
    Er wies auf eine Kaffeemaschine, daneben stand ein Türmchen aus ineinandergestellten Pappbechern. Auf zwei großen Klapptischen sah ich sauber aufgereihte Aktenordner, Ablageschuber. Ein aufgeklappter Laptop, ein paar glänzende CD - ROM -Scheiben. Meine Muskeln entspannten sich. Alles ein Missverständnis. Die deutschen Worte, sie rührten an mein Herz. Glück, dachte ich, man muss auch mal Glück haben. Wir hatten uns das irgendwie auch verdient. Das Betragen seiner ruppigen Knechte war ich bereit, dem Gentleman, dessen gefleckt uniformierten Rücken ich betrachtete, während er mir einen Kaffee zubereitete, zu vergeben. Wir würden ihm endlich das verdammte Gewehr verkaufen und dann wieder verschwinden.
    »Woher wissen Sie, wer ich bin?«, fragte ich. Und begriff im gleichen Moment, dass im Gepäck meine Geldbörse steckte und mein Ausweis. Na gut, dachte ich, Militär. Da wird eben kontrolliert. Der schlanke Mann im Tarnanzug überging meine Frage.
    »Sie wundern sich sicher, dass ich Deutsch spreche, Herr Jesper.«
    Er wandte sich um, verhakte die Finger vor dem Koppelschloss und tippte seine Daumen gegeneinander, während die Maschine den Kaffee röchelnd in zwei Becher pumpte.
    »Ich habe acht Jahre in Deutschland gelebt, habe in Bremen studiert. Das ist schon einige Zeit her, und viel ist inzwischen geschehen.« Er lächelte, schüttelte den Kopf. »Was für ein Zusammentreffen, mitten in Afrika. Bitte sehr.«
    Er reichte mir einen der Becher, aus dem es gut nach frisch gebrühtem Espresso roch, dazu hielt er, zwischen Zeige- und Mittelfinger geklemmt, zwei Stücke eingepackten Zucker vor mir in die Luft, bis ich sie ihm abgenommen hatte.
    »Erzählen Sie«, sagte Duvalle. »Was führt Sie beide hierher?«
    Er setzte sich zu mir auf einen der beiden bereitgestellten Faltstühle, seinen Kaffeebecher in der Hand, und schlug die Beine mit den perfekt geputzten Schnürstiefeln übereinander.
    »Wir hatten Pech«, sagte ich.
    Ich überlegte, ob ich die Geschichte von der Jagd vortragen sollte, entschied aber, dass es besser wäre, nahe bei der Wahrheit zu bleiben. Ich erzählte Duvalle von dem Flugzeugabsturz. Wir hätten uns auf dem Flug verfranzt. Als uns der Sprit ausgegangen sei, hätten wir notlanden müssen, wo genau das gewesen sei, wüssten wir nicht. Dann eine Woche durch den Dschungel. Entbehrungen, aber wir hätten uns durchgeschlagen. Von den Pygmäen schwieg ich.
    Der höfliche Mann hörte mir zu. Sagte mal »Aha«, oder »So, so«. Als ich fertig war, musterte er mich einen Moment.
    »Haben Sie das Flugzeug geflogen oder die junge Dame da draußen?«
    Ich hätte es geflogen, antwortete ich. Duvalle stellte seinen Kaffeebecher auf den Boden. Rückte ihn vorsichtig zurecht, damit er nicht umfiel. Richtete sich wieder auf und sah mich nachdenklich an.
    »Ich glaube, dass Sie lügen, Herr Jesper«, sagte er. »Übrigens, ich habe mich noch gar nicht richtig vorgestellt.« Er lächelte. »Unhöflich, jemandem zu sagen, dass man ihn für einen Lügner hält, und sich nicht vorgestellt zu haben. Mein vollständiger Name ist Ambrose Duvalle. Hier nennt man mich allerdings anders. Man nennt mich Botoko.«
    In

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