Gabun - Roman
rief: »Bruno! Des frites!«
Das Wellblechdach bebte nach von seiner Bestellung.
Prompt kam der Verräter – Bruno hieß er also – durch die Hintertür herein. Sein Gewissen, wenn er so etwas besaß, verbot ihm wohl, uns anzusehen. Er erhielt eine befehlende Kinnbewegung des Stutzers und verschwand wie ein Wiesel Richtung Küche.
Draußen auf der dunklen Straße war inzwischen ein Auflauf entstanden. Die hungrigen Mineure des Kobaltgräberdorfes sammelten sich. Sie wollten ihr Feierabendbier trinken, trauten sich aber nicht herein, zweifellos weil sie die angespannte Situation erfasst hatten. Schließlich standen die Motorräder der beiden Finsterlinge unübersehbar mitten auf der Straße. Anzunehmen, dass sie hier nicht unbekannt waren.
Ab und zu sah der Dicke stirnrunzelnd nach draußen, aber er musste niemanden verscheuchen. Nur für eine Sekunde tauchte ein Gesicht mit aufgerissenen Augen an der Kante einer Wellblechplatte auf, um rasch wieder zu verschwinden, während die beiden Kerle De Vries’ Gewehr mit Geflüster und anerkennendem Gelächter begutachteten. Sie entdeckten auch gleich, wie man den Hebelverschluss aufmachte. Der schwarze Recke schob zwei Patronen hinein und kippte die Läufe zu, grinste den Dicken an. Als der Junge mit den Fritten zurückkam, schaute er in die Mündung der Doppelbüchse.
Ich sah noch den Pappteller und die Fritten fallen, dann schloss ich die Augen und hielt mir mit beiden Zeigefingern die Ohren zu. Er hatte uns verkauft, dieser Bruno, aber das hatte er nicht verdient. Ein Blitz erhellte den Raum, aber kein Knall folgte. Lediglich das schreckverzerrte Gesicht des Jungen war auf der Handykamera des Dicken konserviert worden. Ein herrisches Kopfschwenken des bezopften Recken hieß mich, die zu Boden gefallenen Fritten aufzuheben. Hunger, das wusste, glaube ich, auch Schiller schon, kommt noch vor der Würde. Jedenfalls kniete ich mich auf den Boden, sammelte die Fritten ein, setzte mich an den Tisch und stopfte sie in mich hinein. Fett, Stärke, Salz. Mein Stoffwechsel verlangte danach. Man ließ mir nicht viel Zeit.
»Allez«, sagte der Dicke und warf beim Aufstehen mit seiner Wampe beinahe den Tisch um. Ich grapschte nach dem Teller und nahm rasch noch eine Handvoll Fritten, ehe ich ihn stehen ließ.
Felicité warf mir einen Blick zu, nur einen. Er erinnerte mich fatal an den Augenblick, in dem Olson in der Lodge ihren Kopf gegen die Wand des Toilettenhauses gedrückt hatte. Trotz, aber keine Hoffnung war in diesem Blick. Ob auch Verachtung, wollte ich nicht wissen. Ich war, das musste ich mir in Bitterkeit klarmachen, nur ein Zeuge ihres Trotzes, aber niemand, der ihr Hoffnung vermitteln konnte. Ich war in einer solchen Situation nicht fähig zu handeln, wie Farouk es vielleicht getan hätte, ohne Rücksicht auf die Konsequenzen.
Auf der Straße trafen wir auf zwei Dutzend Leute, die sich sofort rückwärts in die Dunkelheit begaben, als sie uns mit den beiden Typen aus der Kneipe kommen sahen, aber die kümmerten sich gar nicht um sie. Der Dicke schwang sich auf sein Motorrad, das unter seinem Gewicht ächzend in die Federn ging, wandte sich um und winkte Felicité mit dem krummen Zeigefinger. Demnach sollte ich mich auf das andere Motorrad setzen, hinter den Riesen. Der schmiss unsere Sachen vorher noch in zwei Blechkästen am Heck seiner Maschine und hängte sich das Gewehr um. Dann bollerten die Motoren los, und wir fuhren.
Ich hielt mich am Rahmen der Maschine fest, hatte den penetranten Schweißgeruch des Recken in der Nase, der vor mir thronte in der Haltung eines übertrieben ausgeführten Reiterdenkmals. Wich dem Gewehr aus, das bei Schlaglöchern hin und her schwang. So ging es durch das dunkle Dorf. Die Kobaltschürfer standen am Rand der Straße, nicht gerade in zwei Reihen, aber dennoch erregte unsere Parade stumme Aufmerksamkeit. Von den Scheinwerfern angeleuchtete Gesichter huschten an uns vorüber, die Augen aufgerissen. Blicke von unten herauf. Ihre Mienen gaben keine Auskunft über unser Schicksal, keine positive jedenfalls. Die Leute schauten, wie man vielleicht eine fremde Armee beobachtet, die gerade einmarschiert, oder den Hinrichtungskarren auf dem Weg zur Guillotine. Eines war jedenfalls nicht zu übersehen: Sie hatten Angst.
Nachdem wir das Dorf hinter uns gelassen hatten, fuhren wir zu viert durch die Dunkelheit, die sich über der kahlen Landschaft ausbreitete, im flachen Scheinwerferlicht der Motorräder so düster wie das Ende der
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