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Gabun - Roman

Gabun - Roman

Titel: Gabun - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meinrad Braun
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Welt. Vor mir Felicité hinter dem Dicken in der Haltung einer Motorradbraut, ihr Rücken angestrahlt von der Lampe meines Piloten. Mit ihren engen Jeans, den langen Haaren, die im Fahrtwind flatterten, hätte man sie durchaus für eine landestypische Ausflugsbegleitung halten können. Motorradfahren legt Körpersprache weitgehend fest. Ich gab vermutlich ein ähnliches Bild ab, man mochte mich für einen Kumpel des schwarzen Recken halten, wenn wir irgendwo vorbeifuhren. Es kam aber keine Ansiedlung mehr.
    Unsere beiden Fahrer machten sich nicht viel Mühe, Schlaglöchern auszuweichen, und die Straße sah aus wie die Oberfläche des Mondes. Es ging auf und ab, ich hatte Mühe, nicht abgeworfen zu werden. Durch das Knattern der Motoren drangen gerade noch die hohen Frequenzen der Grillen hindurch, alle anderen Nachtgeräusche wurden davon übertönt. Über uns hing ein abnehmender Mond, gleichgültig. Sein altes Gesicht, von scharf gezeichneten Kratern übersät, wandte sich von allem menschlichen Treiben ab.
    Nach etwa einer halben Stunde bogen wir von der Straße ab auf eine Piste, die nur noch aus zwei in die Erde gefurchten Fahrspuren bestand. Die Motorräder wühlten sich durch Sand und Geröll. Wenn der Hinterreifen durchdrehte, spritzte Dreck auf meine Hände, mit denen ich mich am Rahmenheck festklammerte. Nach einer weiteren Viertelstunde Motocross tauchten im Licht der Scheinwerfer einige Zelte auf, in gefleckten Tarnfarben gehalten, dazwischen zwei große grüne Geländewagen. Dort stand auch das dritte Motorrad, ähnlich verziert wie die beiden anderen, am Heck hing die schlaffe Totenkopfflagge. Wir hielten an und stiegen ab.
    Der Riese packte schmerzhaft meinen Arm, winkte Felicité mit der Pranke und gab mir einen Stoß in den Rücken. Wir sollten zu einem der Zelte hinübergehen, dessen Plane vorn hochgeschlagen war. Darin trafen wir auf vier junge Männer in Camouflage-Anzügen, Sturmgewehre zwischen den Knien. Sie saßen nebeneinander auf einer Bierbank, anscheinend das Universalmöbel in Katanga, rauchten und sahen sich ein Fußballspiel an, das auf einem großen Flachbildschirm lief, den man auf zwei Aluminiumkisten gestellt hatte. Im Schein der Gaslampen, die von den Zeltstangen herunterhingen, leuchtete das Weiß in ihren Augen. Keiner sagte ein Wort.
    »Restez ici«, sagte der Riese zu uns.
    Ein weiterer Rippenstoß überzeugte mich von der Ernsthaftigkeit seiner Aufforderung. Dann verschwand er. Ein Stromgenerator ratterte draußen vor sich hin, nicht so rücksichtsvoll gedämpft wie in der Lodge. Wir standen mitten im Zelt, Felicité und ich, und ich schaute unwillkürlich auf den Bildschirm, wo sich die Fußballer quirlig durch das Mittelfeld bewegten, zwei liefen gerade einem Steilpass hinterher. Es roch süßlich. Es roch süßlich. Nach Marihuana, stellte ich nach der ersten Schrecksekunde fest. Als wir eingetreten waren, hatten die Männer Felicité angestarrt wie eine Geistererscheinung, alle vier gleichzeitig und nur für ein paar Sekunden, ehe sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Bildschirm richteten. Niemand sagte ein Wort. Niemand bot uns einen Platz an. Felicité stieß mich gegen den Oberarm, ich kapierte: aufpassen.
    »Gibt’s hier ein Klo?«, sagte sie auf Französisch.
    Ich begriff, was sie vorhatte. Felicité war anscheinend auch in einer solchen Lage noch dazu fähig, klar zu denken. Aber man antwortete ihr nicht. Keiner von den vermutlich völlig zugekifften Soldaten wollte ihr sagen, wo es zur Toilette ging. Als Felicité aber zwei Schritte zum Ausgang hin machte, legte einer der Männer seine Hand auf das Sturmgewehr, ohne die Augen vom Bildschirm zu nehmen, seine andere Hand machte eine kurze horizontale, in diesem Kontext eindeutige Bewegung. Auf dem Bildschirm lief zwischen den beiden weißhäutigen Mannschaften indessen nicht viel. Bloß ein verhaltenes Hin und Her, das Spiel wollte nicht in Gang kommen. Der Sprecher versuchte das mit begeisterten Kommentaren auszugleichen, referierte die Lebensdaten von jedem Spieler, der gerade den Ball hatte. Merkwürdigerweise, das wurde mir erst in diesem Augenblick klar, tat er es auf Englisch.
    Nach zwei Minuten kam der kettenbehangene Recke zurück, zielte mit dem Zeigefinger auf mich und winkte mich mit seinem kahlen Schädel nach draußen. Verbal ließ er sich nicht ein. Ich wurde von ihm aus dem Zelt geschoben, Felicité stoppte er mit ausgestreckter Pranke, die fünf beringten Finger gespreizt; ihren Wunsch, die Toilette

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