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Gabun - Roman

Gabun - Roman

Titel: Gabun - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meinrad Braun
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Existenz zu sichern. Sie bilden kein Kapital, und sie geben keine Kredite.«
    »Klug von den Ameisen, Herr Jesper. Ausgesprochen klug. Darin sind sie uns ohne Zweifel überlegen. Aber wie lösen sie ihre Konflikte? Lassen Sie mich raten. Die Stärkeren töten die Schwächeren, habe ich recht?«
    Wir verbrachten den Rest des Tages in unserem Zelt. Man brachte uns zu essen, etwas lappiges Brot und Corned Beef, dazu ein paar Flaschen Wasser. Die Hitze waberte über den Zelten, sie herrschte über das versteppte, trockene Land wie eine Heimsuchung. Selbst der Ton der Grillen veränderte sich am Mittag, als die Sonne hoch am Himmel stand. Sie klangen nicht mehr fordernd und aggressiv wie in der Nacht, sie zirpten verhaltener, energiesparender, ihre Töne wurden dünner, länger. Immerhin besaßen sie noch die Kraft, etwas von sich zu geben.
    Felicité und ich hatten genug Zeit, ihnen zuzuhören. Wir hörten, wie die Motorräder aus dem Camp abfuhren, wie sich ihr Grollen in der Ferne verlor. Man erlaubte uns auch, nach draußen zu gehen. Aber nur, um vor dem Zelt eine Weile zu stehen und die Toilette aufzusuchen. Einer der stummen Bewaffneten hatte den Auftrag, uns im Auge zu behalten. Er hockte im Schatten vor dem Mannschaftszelt und döste vor sich hin, ohne mehr Kontakt mit uns zu pflegen, als unsere Gesten nonverbal zu dekodieren und im Anschluss mit der flachen Hand einen Wink Richtung Toilettenzelt oder eine Stopp-Bewegung für alles andere auszuführen.
    Ich beneidete ihn nicht darum, bei der Hitze vollständige Uniform zu tragen und das schwere Sturmgewehr umhängen zu haben. Sicher legte Duvalle Wert darauf, dass seine Soldaten adrett aussahen, ebenso wie er selbst und sein aufgeräumtes Bürozelt. Korrekte Kleidung, eine Umgebung von Gehorsam und Ergebenheit, so etwas macht immer einen guten Eindruck. Seine martialisch aufgemachten drei Erzengel dagegen sollten Schrecken verbreiten, wo immer sie auftauchten. Je furchterregender die Kostümierung, desto besser.
    »Was denkst du, was machen die drei Typen hier?«
    »Die kassieren Schutzgelder«, antwortete Felicité. »Ab und zu vergewaltigen sie, oder sie töten, damit die Leute ihnen gehorchen. Duvalle lässt sie gewähren und spielt den Gentleman. Glaubst du, man hat die Schule da oben, in der wir waren, mitten in den Busch hineingebaut? Hier war mal eine Siedlung, ein Ort, in dem man leben konnte. Aber diese Leute machen alles platt. Die interessieren sich nur für Profit und Macht. Die Einheimischen, die geblieben sind, müssen in den Löchern für diese Typen arbeiten. Vielleicht kratzen sie jetzt irgendwo hinter ihrer ehemaligen Schule Coltan aus der Erde.«
    Felicité lag auf dem Feldbett, immer noch elegant in ihrem schmutzigen T-Shirt und in ihren Jeans, die nicht sauberer waren.
    »Dieser Duvalle«, fuhr sie fort, »weiß, wie man herrscht. Sein Camp funktioniert wie ein kleiner Militärstaat. Auch dort tragen die Präsidenten gerne Uniformen, geben sich gebildet und haben ihre Leibgarde und ihre Schläger. Sie plädieren für Ordnung, und sie drohen mit Gewalt.«
    »Wieso lässt man ihn einfach machen?«, fragte ich. »Man könnte ihn doch anzeigen.«
    »Könnte man, sicher. Aber hier funktionieren die Behörden anders. Es gibt sie, aber sie handeln nicht wie Behörden. Sie vermitteln nur zwischen Mächtigen und weniger Mächtigen. Du kannst nicht einfach hingehen und jemanden anzeigen, der etwas darstellt. Ich bin sicher, dass man Duvalle bei den Behörden kennt, man weiß auch, was er tut. Aber zu viele profitieren von ihm, er reguliert die Geschäfte für die Behörden, weil es keine Polizei gibt, die etwas ausrichten könnte. Duvalle sorgt dafür, dass alles läuft, wie es laufen soll, und dass ein paar wichtige Leute ihren Schnitt dabei machen. Es gibt ja noch nicht einmal Grundeigentümer, die sich darum scheren, was hier aus dem Boden geholt wird. Es gibt nur Ausbeuter und Ausgebeutete. Die Ausbeuter kontrollieren, was passiert, sie machen Steine zu Geld. Duvalle kann das regulieren, deshalb tut er es und hat seinen Vorteil dabei. Er befindet sich im Krieg, in einem Krieg um Claims. Auf der nächsten Stufe, in den Städten, verwandelt sich das Ganze wieder in Geschäfte und in Dollars.« Felicité lachte leise. »Und wer kann etwas gegen Geschäfte haben. Geschäfte sind gut, oder?«
    Es war uns bei unseren Klogängen inzwischen gelungen, die Diamanten so tief und so gut getarnt zu verbuddeln, dass man nicht zufällig auf sie stoßen würde. Ein

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