Gabun - Roman
Internet zu gehen, dann findet man gleich einiges. Interessante Dinge. Wieso wissen Sie nichts darüber, Herr Jesper?«
»Ich hatte keine Gelegenheit dazu, mich zu informieren«, sagte ich. »In der Lodge gab es für mich keinen Zugang zum Internet.«
»Und Sie, Mademoiselle Leotin?« Er wechselte ins Französische.
»Sie können Englisch mit uns sprechen«, sagte Felicité.
»Wieso nehmen Sie an, dass ich Englisch sprechen kann?«
»Ihre Leute draußen verstehen Englisch«, sagte Felicité.
»So, tun sie das.« Duvalle hatte ins Englische gewechselt. »Also gut. Was wissen Sie über De Vries, Mademoiselle?«
»Er handelt mit Diamanten, mit Gold, mit Rohstoffen. So ziemlich mit allem, womit man reich werden kann.«
»Das gefällt Ihnen nicht, habe ich recht? Weshalb wollten Sie eigentlich seine Abreise verhindern?«
»Er wollte sich davonmachen. Ich mag Leute nicht, die nur an ihren Profit denken.«
»Das ehrt Sie«, sagte Duvalle. »Respekt.«
»Ich lege keinen Wert auf Ihren Respekt«, sagte Felicité.
»Mutig sind Sie auch«, sagte Duvalle. »Schön und mutig, dazu noch gerecht.« Er hob die Brauen. »Beeindruckend. Schade, dass Ihre Haltung hier, außer bei mir und sicherlich auch bei Herrn Jesper, wenig Beachtung finden wird. Ich fürchte, meine Landsknechte schätzen an Ihnen etwas anderes. Wir sind«, er knackte mit seinen Fingergelenken, »roh geworden hier draußen, sosehr man das bedauern muss.«
Er erhob sich und ging zu seinem Schreibtisch hinüber, wo er stehen blieb und sich umwandte.
»Ihr Gepäck, Herr Jesper, enthielt übrigens noch mehr Überraschungen. Nicht bloß den ominösen Fetisch, auch das hier.« Er hielt Joseph Conrads »Heart of Darkness« in der Hand. »Haben Sie es gelesen?«
Ich sagte ihm, dass ich es hatte lesen wollen, aber nicht dazu gekommen war.
»Ein durch und durch kolonialistisches Buch«, sagte Duvalle. »Wir Afrikaner kommen darin nur als Opfer vor. Ein Buch, das ein emigrierter Pole geschrieben hat, der unter anderem auch nach Afrika geraten ist, so wie Sie, Herr Jesper. Und sich in die Pose des Humanisten warf. Nachdem seine eigenen Unternehmungen im Kongo scheiterten, hat er ein Buch darüber geschrieben, um doch noch etwas daraus zu machen, das ist ihm auch gelungen. Und wir armen Neger haben darin die Aufgabe, zugrunde zu gehen, um bemitleidet zu werden. Die interessanten Charaktere in diesem Buch, die Bösen, das sind natürlich die Weißen.«
Duvalle warf das Buch auf den Tisch.
»Hier. Stecken Sie es ein«, sagte er. »Ich will es nicht mehr sehen. Was haben Sie eigentlich studiert, Herr Jesper?«
Ich überlegte, ob ich ihm so antworten sollte, wie Felicité es getan hatte, die so abweisend auf ihrem Faltstuhl saß wie ein Denkmal. Sie bekam es hin, zwischen sich und Duvalle eine Mauer zu errichten, als besitze sie noch immer einen Rest Souveränität. Mein Hass auf Duvalle aber wollte sich nicht in den Mut verwandeln, den man für eine solche Haltung braucht. Ich kochte, aber ich spürte die Grausamkeit, zu der er fähig war, das lähmte mich. Ich antwortete, dass ich Biologie studiert hätte. Als er nachhakte, auch, dass ich mich mit Ameisen beschäftigt hätte.
»Wunderbar«, sagte Duvalle. »Sie sind am richtigen Ort. Hier ist alles voller Ameisen, Herr Jesper. Die Armen wühlen sich Tag für Tag durch die Erde und graben heraus, was der reiche Rest der Erde wünscht. Diese armen Ameisen, sie kommen von überall, sie stehen Schlange vor den Löchern, denn man verdient dort wenigstens ein bisschen Geld für harte Arbeit. Was hier in der Erde liegt, ist begehrt. Von Sony, Kyocera, Motorola, Samsung, Siemens und vielen anderen erfolgreichen Konzernen. Sie bauen daraus Spielzeug für den reicheren Teil der Welt, nicht wahr, Mademoiselle?«
Duvalle warf Felicité einen Blick zu, aber sie ignorierte ihn. Dann sah er mich wieder an. »Ameisen also, Herr Jesper. In Zeiten der Globalität, scheint mir, wimmeln die Märkte durcheinander wie ein Ameisenhaufen, auf den man mit der Hand geschlagen hat. Neunzig Prozent der Menschheit rackern sich ab für die restlichen zehn Prozent, ohne dass man es auf einen grünen Zweig bringt. Was sagt die Ameisenforschung dazu?«
»Die Ameisenforschung beschäftigt sich nicht mit Politik«, sagte ich.
»Aha. Nun, soviel ich weiß, bilden die Ameisen ebenfalls Staaten. Und es gibt eine Königin, die Eier legt und der die anderen dienen müssen.«
»Das stimmt. Aber Ameisen beschränken sich darauf, ihre eigene
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